Full text: Europäischer Geschichtskalender. Dreizehnter Jahrgang. 1872. (13)

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Das deutsche Reich und seine einjelnen Elleder. 
gesetzt sein würde, die Ew. 2c. vom Staate ertheilte Anerkennung 
als Bischof von Ermeland als eine durch das Verfahren Ew. rc. hin- 
fällig gewordene anzusehen und die bisher bestandenen staatlichen Be- 
ziehungen zu der durch Ew. rc. geleiteten Diöcesanverwaltung 
nicht fortsetzen zu können.“ 
11. März. (Preußen.) Der katholische Militärgeistliche Grunert in Inster- 
12. 
burg wird vom Feldpropst oder Armeebischof wegen Nichtunterwerfung 
unter das Dogma der Unfehlbarkeit seines Amtes entsetzt. Die Mi- 
litärbehörde befiehlt ihm, seine Functionen trotzdem fortzusetzen. Der 
Bischof verbietet es. 
„ (Preußen.) Der Staatsanz. veröffentlicht bereits das vom Kaiser 
genehmigte Schulaufsichtsgesetz. Dasselbe lautet: 
§ 1. Unter Aufhebung aller in einzelnen Landestheilen entgegenstehenden 
Bestimmungen steht die Aufsicht über alle öffentlichen und Privatunterrichts- 
und Erziehungsanstalten dem Staate zu. Demgemäß handeln alle mit dieser 
Aufsicht betrauten Behörden und Beamten im Auftrage des Staates. § 2. 
Die Ernennung der Local= und Kreisschulinspektoren und die Abgrenzung ihrer 
Aufsichtsbehörde gebührt dem Staate allein. Der vom Staate den Inspektoren 
der Volksschule ertheilte Auftrag ist, sofern sie dies Amt als Neben= oder 
Ehrenamt verwalten, jederzeit widerruflich. Alle entgegenstehenden Bestim- 
mungen sind aufgehoben. § 3. Unberührt durch dieses Gesetz bleibt die den 
Gemeinden und deren Organen zustehende Theilnahme an der Schulaussicht, 
sowie der Artikel 24 der Verfassungsurkunde vom 31. Januar 1850. (Leitung 
des Religionsunterrichts durch die betreffenden Kirchengesellschaften.) § 4. Der 
Minister der geistlichen, Unterrichts= und Medicinalangelegenheiten wird mit 
der Ausführung dieses Gesetzes beauftragt."“ 
„ (Preußen.) Der Eczbischof von Köln eröffnet den Professoren 
Hilgers, Knoodt, Langen und Reuscher in Bonn brieflich, daß sie, 
weil sie dem Decrete der päpstlichen Infallibilität ihre Anerkennung 
verweigert haben, wegen notorischer Häresie dem größeren Banne ver- 
sallen seien. 
„ (Sachsen.) II. Kammer: beendigt ihre Berathungen über das 
von der Regierung vorgelegte Volksschulgesetz, nachdem sie in dasselbe 
eine Reihe tiefgreifender principieller Modificationen hineingebracht 
hat, und nimmt dasselbe als Ganzes mit 48 gegen 22 Stimmen an. 
Die hauptsächlichsten Aenderungen sind folgende: Es wird ein dreijähriger 
obligatorischer Unterricht in den Fortbildungsschulen beschlossen, ein bloß zwei- 
jähriger abgelehnt. Die Volksschule als eine confessionelle aufrecht zu erhal- 
ten wird verworfen und mit 43 gegen 31 Stimmen beschlossen, dieselbe als 
öffentliche Anstalt der Jugend ohne Unterschied des Glaubensbekenntnisses zu- 
gänglich zu machen, dagegen mit 67 gegen 5 Stimmen Dispensirung vom 
Religionsunterricht in besonderen Fällen angenommen. Den Gemeinden wird 
mit 50 gegen 22 Stimmen freigegeben, das Schulgeld aufzuheben. Mit 53 
gegen 17 Stimmen wird der Religionsunterricht auf wöchentlich 3 Stunden 
beschränkt. Den kirchlichen Orden und Congregationen wird die Errichtung 
von Unterrichts= und Erziehungsanstalten aus kirchlichen Stiftungen in Sachsen 
verboten; ebenso soll den einzelnen Mitgliedern solcher Orden und Congrega- 
tionen die Ertheilung von Unterricht verboten sein. Mit 50 gegen 18 Stim- 
men wird die Aufhebung des Schulpatronats und die Wahl der Voklksschul- 
lehrer durch die Schulvorstände beschlossen und die Zulassung der Geistlichen 
als Mitglieder aus eigenem Recht mit 34 gegen 28 Stimmen abgelehnt. 
 
	        
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