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Das deutsche Reich und seine einzelnen Slieder.
im Bereiche des „gerichtlichen Verfahrens" im Sinne des Art. 4 Nr. 13 der
Reichsverfassung lägen und da, wo die Grenzen streitig seien, der Weg loyaler
Verständigung sich mehr empfehlen dürste. Unter allen Umständen sei wün-
schenswerth, daß die einseitige Aufstellung eines ersten Entwurfes des Ge-
setzes über gemeinsame Bestimmungen flr die Gerichtsverfassung vermieden
werde und daß sich Vertreter der am Meisten betheiligten Staaten schon bei
dem ersten Aufbau des Gesetzes durch persönlichen Zusammentritt und
eingehende mündliche Berathung aller sich darbietenden Fragen betheiligten.
Württemberg wiederholt, daß es gegen eine Competenzausdehnung von Fall zu
Fall keine Einwendungen haben würde. Aber die Grenzen der Verfassung müßten
streng inne gehalten werden. Was die Gerichtsorganisation und die Organi-
sation des Gerichtsverfahrens angeht, auf welche sich der Lasker'sche Antrag
ebenfalls bezieht, so würde Württemberg dankbar dafür sein, wenn es von
dem Stande der Angelegenheit unterrichtet würde. Eine Reform in dieser
Nichtung sei möglich ohne Aenderung der Verfassung, ohne Competenzerweite-
rung, auf dem Wege freier Verständigung. Sachsen schließt sich den Aus-
führungen Bayerns und Württembergs im Wesentlichen an.
9.— 11. April. (Preußen.) Conferenz der preußischen Bischöfe in Fulda.
Der Erzbischof von Posen fehlt und ebenso der Feldpropst Namcza-
nowski, da sein Bisthum in partibus inticelium liegt. Die Bischöfe
wollen sich dem Schulaufsichtsgesetz fügen, doch wird eine Verwahrung
an den Cultusminister und ein gemeinsames Hirtenschreiben an den
Clerus erlassen.
In dem letztern vom 11. d. M. datirten Hirtenbriefe erklären die Bischöfe,
daß sie bei den „schweren Bedenken, welche kirchlicherseits diesem Gesetze ent-
gegenstehen“, alles gethan hätten, um die maßgebenden Faktoren von dessen
Erlasse abzuhalten, und daß sie, von der Ueberzeugung seiner Gefährlichkeit
für Staat und Kirche durchdrungen, dem nunmehr vollendeten Gesetze ihre
Billigung nicht zuwenden könnten. Weil jedoch ihr bischöfliches Amt sie dazu
dränge, das Möglichste zu thun, um jene Gefahren zu vermindern, und weil
keine Macht der Erde sie von der Sorge für die christliche Erziehung der
Jugend entbinden könne, seien sie entschlossen, auch zu Gunsten der im Princip
von der Kirche losgerissenen Volksschule ihre Pflichten treu zu erfüllen, insoferne
ihnen dieß nicht unmöglich gemacht werde, uud sähen sich daher zu nachstehenden
Anordnungen veranlaßt: „1) Jeder Pfarrer hat die Lokalinspektion in der
Schule seiner Pfarrei zu führen, ohne daß es einer besonderen bischöflichen Ge-
nehmigung bedarf. 2) Dagegen ist eine solche Genehmigung nöthig, wenn
es sich um Uebernahme der Kreisschulen-Inspektion oder einer Ortsschul-In-
spektion außer der eigenen Pfarrei handelt. Für die bereits fungirenden
Schulinspektoren dieser Kategorie soll es einer solchen Genehmigung nicht be-
dürfen. 3) Für den Fall, daß an geistliche Schulinspektoren in Beziehung
auf ihr Amt Anforderungen gestellt werden sollten, welche mit ihren priester-
lichen oder kirchlichen Pflichten collidiren, werden dieselben nicht ohne vorher-
gängiges Benehmen mit dem Ordinariate ihr Schulamt niederlegen. 4) Auch
wird von dem betreffenden Geistlichen Anzeige an die bischöfliche Behörde er-
fordert, sobald die ihm übertragene Schulinspektion staatlicherseits widerrufen
wird oder anderweitige bemerkenswerthe Veränderungen im Bereiche seiner
Amtswirksamkeit vorkommen sollten. 5) Zu Euch aber, theure Mitbrüder,
haben wir das Vertrauen, daß Ihr fortan mit verdoppeltem Eifer den Reli-
gionsunterricht ertheilen und pflegen und in dem hochverdienstlichen Werke
der christlichen Erziehung und gesammten Bildung der Jugend nicht ermüden
werdet. 6) Darum werdet Ihr den Lehrern, Euren Mitarbeitern, mit
Achtung, Liebe und Theilnahme entgegenkommen und ihnen durch Euer Wort,
Euer Wirken und Euer Leben stets Vorbilder eines frommen, gottgefälligen