Das deutsche Reich und seine einzelnen Slieder. 115
Wandels sein.“ Schließlich werden die Geistlichen ermahnt, „in all den Be-
drängnissen dieser Zeit“ nicht muthlos zu werden und zu Gott um „Abkür-
zung der Heimsuchung“ zu beten.
14. April. Der zweite deutsch-israelitische Gemeindetag in Leipzig beschließt
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die Constituirung eines deutsch-israelitischen Gemeindebundes.
Es haben bis jetzt 113 Gemeinden sich dem Gemeindetage angeschlossen,
von denen 49 in Leipzig vertreten sind. Als Zweck des Bundes wird ange-
geben „die Vereinigung und Organisation der deutsch-israelitischen Gemeinden,
einschließlich der deutsch-österreichischen, zur Wahrung ihrer gemeinsamen In-
teressen, die Pflege und Förderung ihres Verwaltungs-, Bildungs= und Unter-
stützungswesens nach innen und die Vertretung derselben nach außen, dem
Staate wie den außerdeuischen Glaubensgenossen gegenüber.“ Zum Vorort
wird einstimmig die Gemeinde Berlin gewählt.
„ (Deutsches Reich.) Bundesrath: Württemberg stellt den Antrag
auf Veröffentlichung der Verhandlungen des Bundesraths.
„ (Deutsches Neich.) Reichstag: Die Petitionscommission wählt,
bezeichnender Weise, den Abg. Gneist zum Referenten über die Peti-
tionen in Sachen des Jesuitenordens.
(Bayern.) II. Kammer: Ein Antrag der clericalen Partei, alle
außerdeutschen Gesandtschaften mit Ausnahme derjenigen in Wien ein-
zuziehen, wird mit einer nur kleinen Majorität (gegen die patriotisch-
clericale Partei) abgelehnt, dagegen der Antrag des Ausschusses auf
Umbildung des Staatsraths, trotz des Widerspruchs des Ministers
des Innern und der Erklärung, daß die Regierung nicht darauf ein-
gehe, angenommen.
Bezüglich des ersien Antrages erklärt der Ministerpräsident Graf Heg-
nenberg: Er habe im Ausschusse nicht gesagt, die bayerische Diplomatie sei
jetzt bedeutungslos, er habe nur gesagt, daß in Folge der Neugestaltung der
deutschen Verhältnisse europäische Fragen kein Gegenstand mehr für die baye-
rische Diplomatie seien. Der Antrag Freytag wolle Reservatrechte im In-
teresse einer Partei preisgeben, wogegen schon die Rücksicht auf die Ehre und
die Würde Bayerns spreche.
„ (Deutsches Reich.) Reichstag: Erste Lesung des Gesetzesent-
wurfs betr. die Einrichtungen und die Befugnisse des Rechnungshofes
für das deutsche Neich. Es wird beschlossen, auch die zweite Lesung
im Plenum vorzunehmen.
Der aus 22 bestehende Gesetzesentwurf hat das neue preußische
Gesetz über die Oberrechnungskammer zur Grundlage. Der Rechnungshof
soll kein Glied der Reichsverwaltung sein, sondern selbständig neben dieser seine
Stelle finden. Er ist unabhängig vom Reichskanzler und nur dem Kaiser
untergeordnet. Die Mitglieder sind inamovibel, denen des Reichsoberhandels-
gerichts gleichgestellt; sie dürfen weder Nebenämter und mit Remuneration
verbundene Nebenbeschäftigungen übernehmen, noch können sie in den Bundes-
rath berufen oder in den Neichstag gewählt werden. Was die Befugnisse
des Rechnungshofes angeht, trifft der Entwurf einmal darüber Bestimmungen,
welche Rechnungen diese Behörde Überhaupt zur Nevision zu ziehen berechtigt
sein soll, wobei der Grundsatz leitend gewesen ist, daß der Regel nach das
Recht und die Verpflichtung zur Revision zusammenfallen muß, und über die
Befugnisse, welche dem Nechnungshofe zuslehen müssen, damit die Rechnungs-
revision ihren Zweck, Über etwaige Uebertretungen aus der geführten Verwal-
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