120 Pas deutsche Reich und seine einzelnen Glieder.
zeichnete hohe Schule zu Straßburg in ihrer früheren einheitlichen Gestaltung
als Universilät wieder ins Leben trete. Wir begründen demnach diese Hoch-
schule, die aus dem Elsaß und aus Lothringen so viele hochgelehrte Lehrer
empfing und diesen Ländern wie der Welt Männer, tüchtig in allen Zweigen
der Wissenschaft, zurückgegeben hat, von Neuem, auf daß an ihr im Dienst
der Wahrheit die Wissenschaft gepflegt, die Jugend gelehrt und so der Boden
bereitet werde, auf welchem mit geistiger Erkenntniß wahrhafte Gottesfurcht
und Hingebung für das Gemeinwesen gedeihen. Durch das von Uns am
heutigen Tage vollzogene Gesetz sind die aus der Zersplitterung der früheren
Universität entstandenen Fachschulen und Fakultäten aufgehoben und alle Rechte
derselben auf die neue Hochschule — als eine öffentliche Anstalt im gesetzlichen
Sinn — übertragen worden. Wir wollen, daß die Universität mit allem zur
Erfüllung ihrer Aufgabe nothwendigen, insbesondere mit den nöthigen wissen-
schaftlichen Hilfsanstalten ausgestattet und daß für deren Erhaltung den An-
forderungen der Wissenschaft entsprechend Sorge getragen werde. Vorläufig
und bis zur Herstellung anderer Gebäude überweisen Wir der Universität die
bisher von der Akademie benutzten Gebäude, außer welchen sie auch die
von der Stadtgemeinde Straßburg zeitweise zur Verfügung gestellten Räume
im Schloß gemeinschaftlich mit der Universitäts= und Landesbibliothek zu be-
nugen hat. Wir verleihen derselben das Recht, ihre eigenen Universitäts= und
Fakultätsangelegenheiten nach der in dem Universitätsstatut zu gebenden Ord-
nung zu verwalten und sich ihren Rektor unter Unserer Genehmigung, sowie
die Dekane ihrer Fakultäten selbst zu bestellen; Wir verleihen den Fakultäten
das Recht, den Doktorgrad unter Autorität der Universität nach einer von
den Fakultäten selbst aufzustellenden Promotionsordnung zu ertheilen, Überzeugt,
daß diese Würde nur an Solche vergeben werden wird, welche durch den Ernst
ihrer wissenschaftlichen Leistung das Ansehen der Hochschule in neuen Glanz
zu bringen geeignet sind. Wir gewähren, daß die Fakultäten nach von ihnen
selbst gegebener Habilitationsordnung neue in der Wissenschaft bewährte Lehrer
zum Lehramte in ihrer Mitte zulassen, verordnen endlich, daß die Universität
Straßburg das Siegel der alten Universität Straßburg führe, wie es ihr
von dem ersten Begründer der Hochschule verliehen worden ist, mit der Um-
schrift: „Sigillum Academiae Argentinensis“. Die Ernennung des ersten
Rektors der Universität, der sein Amt verwalten soll, bis der nach dem Statut
zu wählende Rektor dasselbe übernimmt, behalten Wir Uns vor. Urkundlich
unter Unserer Höchsteigenhändigen unterschrift und beigedrucktem kaiserlichen
Insiegel. Gegeben Berlin, 28. April 1872. Wilhelm. Fürst v. Bismarck.“
30. April. (Deutsches Reich.) Reichstag: Die für den Entwurf eines
Militärstrafgesetzes niedergesetzte Commission einigt- sich mit der Re-
gierung über den darin hauptsächlich streitigen Punct des sog. strengen
Arrestes mit 12 gegen 9 Stimmen und nimmt das Ganze mit 15
gegen 6 Stimmen an, so daß auch an der Zustimmung des Reichs-
tags nicht mehr gezweifelt wird.
„ (Sachsen.) Das Ob. App.Gericht bestätigt das gegen Bebel und
und Liebknecht gefällte Urtheil.
1. Mai. (Deutsches Reich.) Der deutsche Geschäftsträger in Rom,
v. Derenthal, verlangt vom Cardinal-Statssecretär Antwort auf seine
Notification v. 25. v. M. Inzwischen bringen ultramontane deutsche
Blätter an diesem Tage schon die telegraphische Depesche aus (dem
Vatican) Rom, daß der Papst die Annahme des Cardinals Hohen-
lohe als deutschen Botschafters ablehne.