Full text: Europäischer Geschichtskalender. Dreizehnter Jahrgang. 1872. (13)

Das deutsche Reich und seine einjelnen Glieder. 139 
„1) Die katholischen Militärgeistlichen und die mit der Seelsorge für ka- 
tholische Militärpersonen beauftragten Clvilgeistlichen haben Verfügungen, die 
ekwa noch von Namszanowski oder von dem von diesem mit seiner Vertretung 
beauftragten General-Vicar, Divisionsprediger Parmes, ausgehen sollten, nicht 
mehr anzunehmen oder zu befolgen. So lange sie dieser Weisung gehorchen 
und ihren sonstigen Pflichten genügen, bleibt ihre Stellung der Militärbehörde 
gegenüber unverändert. 2) Wenn dagegen katholische Militärgeistliche durch 
Handlungen oder Unterlassungen zu erkennen geben, daß fie nicht gesonnen 
sind, ihren militärischen Vorgesetzten den Gehorsam zu leisten, den sie ihnen 
als Militärbeamte schuldig sind, so ist ihnen von den ihnen zunächst vorge- 
setzten Militärbefehlshabern auf Grund des Gesetzes vom 21. Juli 1852 die 
Auslbung ihrer Amtsverrichtungen als Militärgeistliche vorläufig zu unter- 
sagen. Die Kirchenblcher, Dienstsiegel und was ihnen sonst zum Dienstge- 
brauche an Kirchengeräthen, Dienstbüchern r2c. Übergeben ist, ist ihnen abzuneh- 
men und zu asserviren. Zugleich ist hieher auf dem Instanzenwege davon 
Mittheilung zu machen, und es wird darauf das Weitere angeordnet werden. 
3) Wenn ein mit katholischer Militärseelsorge beauftragter Civilgeistlicher zu 
erkennen geben sollte, daß er nicht gewillt sei, seinen Pflichten gegen die Mili- 
tärbehörde nachzukommen, so ist in derselben Weise, wie unter 2) ange- 
geben, zu verfahren. 4) Sollte ein katholischer Militärgeistlicher oder ein mit 
der katholischen Militärseelsorge beauftragter Civilgeistlicher zu den Altkatho- 
liken Übertreten, so findet zunächst in dem Verhältniß der Militärbehörde zu 
ihm keine Aenderung statt. Auch in diesem Falle ist indeß Mittheilung hie- 
her zu machen und dabei anzugeben, ob und wie viele Anhänger er unier 
den Militärpersonen hat. 5) Mannschaften katholischer Confession sind da, 
wo nach Passus 2 und 3 des Vorstehenden das bisherige Verhältniß der ka- 
tholischen Geistlichen zur Militärbehörde etwa aufgelöst wird oder wo der 
Geistliche zu den Altkatholiken Übertritt, bis auf Weiteres nicht mehr dienst- 
lich in die Kirche zu führen. Es eist ihnen vielmehr in diesen Fällen zu 
überlassen, ihr kirchliches Bedürfniß nach eigenem Ermessen zu befriedigen. 
Die Zeit hierzu ist ihnen an den Sonn= und Festtagen so weit als irgend 
möglich zu gewähren. Da, wo die katholischen Geistlichen in Funktion bleiben, 
wird das bisherige Verfahren in Bezug auf den Kirchenbesuch nicht geändert. 
Altkatholiken sollen indeß nicht wider ihren Willen zu römisch -katholischen 
Geistlichen geführt werden. 6) Wenn kranke katholische Militärpersonen in 
den Lazarethen rc. solcher Garnisonen, in denen eine amtliche katholische Mi- 
litärseelsorge nach Vorstehendem etwa nicht mehr stattfindet, nach geistlichem 
Beistand verlangen oder ihrem Ende entgegengehen, ohne einen solchen Wunsch 
aussprechen zu können, so ist einem kath. Geistlichen des Orts Anzeige davon 
zu machen und ihm zu überlassen, ob und wie er dieser Anzeige Folge geben 
will. Sind mehrere katholische Geistliche am Orte, so ist die Anzeige an den- 
jenigen zu richten, den der Kranke zu sehen wünscht oder zu dem er sich etwa 
früher gehalten hat.“ 
29.— 31. Mai. (Deutsches Reich.) Reichstag: Erste und zweite Be- 
rathung des Antrags Lasker auf Erweiterung der Competenz des 
Reichs auf das gesammte Gebiet des bürgerlichen Rechts. Die Ver- 
treter Bayerns, Württembergs und Sachsens im Bundesrath sprechen 
sich dagegen aus: schneidende Rede Mittnachts bez. der Geschäftsge- 
bahrung im Bundesrath und die Stellung Preußens gegenüber den 
kleineren Staaten. Schließlich wird der Antrag Lasker (zum dritten 
Male) mit großer Majorität gegen die Stimmen der conservativen 
Rechten und des clericalen Centrums angenommen. 
Lasker: Der Antrag hat bereits zweimal die große Mehrheit des Reichs- 
tags gefunden; deßhalb verzichte ich auf seine Motivirung und erkläre nur, 
  
 
	        
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