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Das dentische Reich und seine einzelnen Clleder.
Zeit, wo auch die verbündeten Regierungen mit Vorschlägen auf Verfassungs-
änderungen hervortreten —, so gewiß werden Sie es doch begreiflich finden
— Sie würden zutreffenden Falls ja gerade so verfahren müssen —, wenn in
jedem einzelnen Fall einer vorgeschlagenen Verfassungsänderung die Oppor-
tunitäts= und Bedürfnißfrage von allen betheiligten Regierungen ganz genau
erwogen wird. Tie Dringlichkeit aber gerade für die vorliegende Verfassungs-
änderung schien mir bis jetzt noch nicht genügend nachgewiesen zu sein. Meine
Herren, das Specialgesetz, dessen Stoff bisher der Reichsgesetzgebung entzogen
war und das jetzt von der Reichsgesetzgebung zufolge des neuen Antrags in
Angriff genommen werden soll, das ist noch gar nicht genannt. Es war bei-
läufig von der obligatorischen Civilehe die Rede, aber nicht in der Weise, daß
man annehmen könnte, es sei die Meinung der Antragsteller überhaupt, daß
die obligatorische Civilehe das Specialgesetz sei, um dessen Herstellung es sich
zunächst handeln würde. Also nicht einmal das Spccialgesehz, welches so dring-
lich sein soll, kennen wir bis jetzt. Sodann wissen wir ja, daß in Folge all-
gemein beklagter Störung in der Weiterführung der bereits in Angriff
genommenen Gesetzgebung über das gerichtliche Verfahren 2c. eine unvorausgesehene
unerwünschte Verzögerung eingetreten ist. Und endlich, meine Herren, scheint
mir die Dringlichkeit auch deßhalb noch nicht nachgewiesen zu sein, weil man
doch im Ganzen noch so wenig einig darüber ist oder zu sein scheint, wie denn
das Reich die ihm zuzuweisende neue Zuständigkeit Üben soll. Daß es noch so
wenig entschieden ist, ob das Reich die neue Zuständigkeit üben soll durch den
Erlaß von Specialgesetzen, oder ob eine allgemeine bürgerliche Gesetzgebung in
Angriff genommen werden soll, das scheint mir die Zustimmung zu dem vor-
liegenden Antrage nicht eben zu erleichtern. Auch ich, meine Herren, würde
persönlich entschieden für Codification mich aussprechen, nicht deßhalb, weil ich
darin eine Vertagung ohne Termin sehen würde, wie der Herr Abg. Lasker
es genannt hat; nein, wenn ich für Codification mich ausspreche, so schließe ich
durchaus nicht vorgängig nothwendige Specialgesetze aus, nur möchte ich
Specialgesetze zu anerkannten Ausnahmen machen und möchte darüber ver-
sichert sein, daß man an maßgebender Stelle als das wirklich zu erreichende
Ziel die Codification betrachtet. Ich glaube nicht, daß das, was bisher gegen
die Aufstellungen des bayerischen Herrn Bevollmächtigten in dieser Beziehung
angeführt wurde, durchschlagend ist; denn, meine Herren, wenn es unmöglich
ist, nur einen Theil der Privatrechts-Gesetzgebung dem Reiche zu Überweisen,
weil die Privatrechts-Disciplinen alle untrennbar unter sich zusammenhängen,
so glaube ich, ist die Folgerung gar nicht abzuweisen, daß es aus demselben
Grunde auch schädlich wirken muß, wenn das Reich durch eine Reihe von
Specialgesetzen eingreifen wollte in die bestehenden Privatrechtssysteme der ein-
zelnen Staaten. Ja, meine Herren, ein solches Specialgesetz zieht das andere
nach sich; das eine würde unter dem Vorwiegen dieser Strömung, das andere
unter dem Einfluß einer andern zu Stande kommen; ich kann nicht anders
annehmen, als daß unter einer solchen Art, Privatrechts-Gesetzgebung zu
machen, denn doch der Ueberblick über das Ganze und der Zusammenhang des
Ganzen leiden müßte, und daß wir wirklich in den einzelnen Staaten einen
unerwünschten Zustand von Rechtsungewißheit und von beständigem Wechsel
und Fluß der Privatrechts-Gesetzgebung bekämen, wenn wirklich nur Specialgesetze
zu machen und so die Privatrechts-Gesetzgebung zu regeln das Absehen dieses
Antrags wäre. Ich bin persönlich der Meinung, daß nationale Rechtseinheit nicht
durch Special= und Gelegenheitsgesetze erlangt werden kann, sondern nur durch
eine einheitliche Codification. Nun, meine Herren, habe ich noch einen weiteren
Punkt auf dem Herzen, und zwar betrifft derselbe die Mitwirkung der
Bundesstaaten bei der in Aussicht genommenen nationalen
Privatrechts-Gesetzgebung. Ich habe mir unter nationaler Rechts-
gesetzgebung bisher gedacht und denke mir noch darunter eine Rechtsgesetzgebung
unter Mitwirkung Aller, unter Beachtung des Rechtszustandes von ganz