Das deutsche Reich und seine einzelnen Elleder. 171
27. Aug. Jahresversammlung des Gustav-Adolf-Vereins in Speyer. Zahl-
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reiche Katholiken bekränzen dabei gleich den Protestanten ihre Häuser.
„ (Preußen.) Erlaß des Unterrichtsministers betr. die Pflege der
deutschen Sprache in polnischen Schulen:
Die Maßregel ist eine Überaus einschneidende. Der Sinn derselben ist
kurzweg kein anderer als die Polen müssen deutsch lernen. Zu diesem
Zwecke wird „zur Ausführung in sämmtlichen öffentlichen und privaten Ele-
mentar-Schulen“ verfügt, daß der „Religions-Unterricht“ zwar „auf der ersten
Unterstufe noch in der Muttersprache ertheilt“, jedoch „für den religiösen Me-
morirstoff“ die deutsche Sprache „von Anfang an"“ zu Hilfe genommen werden
soll. „Auf der Mittelstufe vollzieht sich dieser Unterricht in der deutschen
Sprache, wobei die Muttersprache zu Hilfe genommen werden darf, jedoch nur
insoweit, als dieß zur Vermittlung des Verständnisses nothwendig ist. Auf
der Oberstufe wird bei dem Religions-Unterricht ausschließlich die deutsche
Sprache angewendet.“ „Das Lesen und Schreiben wird von der Unterstufe
an ausschließlich in der deutschen Sprache gelernt und geübt.“ „Der An-
schauungs-Unterricht wird von Anfang an zur planmäßigen Einführung in
die deutsche Sprache benühtzt. Dem Gesange wird der Text in deutscher Sprache
untergelegt. Der Unterricht im Rechnen, in der Vaterlands= und Naturkunde
wird mit ausschließlicher Anwendung der deutschen Sprache ertheilt.“ Mit
besonderem Nachdrucke wird in dem Erlasse am Schlusse noch einmal besonders
hervorgehoben, daß also „die deutsche Sprache nicht sowohl nur Unterrichts-
gegenstand, als vielmehr obligatorisches Unterrichtsmittel in allen Unterrichts-
Gegenständen sein soll.“ Von ganz besonderem Interesse sind die an die Kreis-
Schulinspektoren zu obiger Verordnung erlassenen Durchführungs-Bestimmun-
gen, welche es so unverblümt als möglich aussprechen, daß auch an den rein
polnischen Schulen Schlesiens ein Lese= und Schreibunterricht in einer nicht-
deutschen, also in der poln. Sprache nicht mehr existirt, und die in sehr eigen-
thümlicher Weise statuirten Ausnahmen bestätigen die Regel. „Es können“
— so heißt es nämlich hier — „einzelne Fälle vorkommen, daß an manchen
Orten besondere Verhältnisse es angemessen erscheinen lassen, nicht Deutsch
redenden Kindern auf der Oberstufe noch besonderen Unterricht im Lesen ihrer
Muttersprache zu ertheilen. Derartige Fälle sind, und zwar ein jeder einzeln,
unter erschöpfender Darlegung zu unserer Kenntniß und Entscheidung zu
bringen. Eigenmächtige Einrichtung eines derartigen nichtdeutschen Leseunter-
richts ist untersagt.“ Die Bestimmungen darüber, welche Schulen künftig,
selbst wenn eine Anzahl nicht Deutsch redender Kinder denselben angehörte,
als reindeutsch anzusehen sind, in welchen also auch der Religionsunterricht
schon auf der Unterstufe in der deutschen Sprache zu ertheilen sein wird, sind
von einschneidender Schärfe. In vielen Fällen werde eine besondere Entschei-
dung darüber nothwendig werden, doch wird für gegenwärtig bereits festgesetzt,
daß „Schulen, in welchen 25 Percent der Schulkinder der deutschen Nationa-
lität angehören, in der Regel als reindeutsche anzusehen und zu behandeln
sind“, während die Regierung sich vorbehält, unter besonderen Verhältnissen
auch solche Schulen für reindeutsche zu erklären, bei welchen der genannte
Percentsatz „nicht ganz“ erreicht sein sollte. Die Anordnung, daß sämmtliche
Szzreeut. und Kreisschulinspektoren binnen sechs Wochen die Erklärung
abzugeben haben, daß sie „unter den neuen Verhältnissen rückhaltlos und ge-
wissenhaft bereit seien, den staatlichen Anforderungen an sie als Schulaussichts-
organe im ganzen Umfange zu entsprechen“, bezweckt eine strenge Prüfung
und Sichtung des gesammten Aufsichtspersonales. Zur Rechtfertigung der so
gewaltig einschneidenden Maßregeln wird in dem Erlasse gesagt, daß „sie aus
höhern staatlichen Rücksichten erforderlich seien“.
. (Deutsches Reich.) Die halbamtliche preußische Prov.-Corresp.