Full text: Europäischer Geschichtskalender. Dreizehnter Jahrgang. 1872. (13)

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Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. 
sucht in einem längeren Artikel den Beweis zu führen, daß durch das 
Jesuitengesetz und die dazu gefaßten Vollzugsbeschlüsse des Bundesraths 
allerdings auch jede seelsorgerliche Thätigkeit der Jesuiten betroffen 
werde. 
. . . Wenn man, wie die Stimmführer der ultramontanen Partei ver- 
langen, die gegentheilige Behauptung gelten ließe, so wäre die Wirkung des 
Gesetzes vom 4. Juli darauf beschränkt, eine Schließung und Auflösung der 
Ordenshäuser herbeizuführen; die einzelnen Jesuiten selbst aber würden ihre 
Thätigkeit auf der Kanzel, im Beichtstuhl, in Missionsversammlungen und in 
der Schule nach wie vor fortsetzen können, sobald sie sich auf ihren priesterlichen. 
Character oder auf einen bischöflichen Auftrag berufen. Selbstverständlich 
haben derartige Deutungskünsie keinen Anspruch auf Berülcksichtigung .“ 
28. Aug. (Hessen.) Das bisherige Ministerium läßt noch den Entwurf 
29. 
eines neuen Wahlgesetzes für die II. Kammer an die Stände gelangen. 
„ (Hessen.) Der Kronprinz des deutschen Reichs und von Preußen 
trifst zur Truppeninspection in Darmstadt ein und wird daselbst vom 
Großherzog, den Prinzen Alexander und Ludwig, den Behörden und 
dem Stadtvorstande empfangen. 
„ —31. Aug. Versammlung des deutschen Juristentags in Frankfurt. Die- 
selbe wählt Gneist von Berlin zu ihrem Präsidenten und faßt Be- 
schlüsse für Beibehaltung der Schwurgerichte und gegen den, wie man 
allgemein annimmt in Berlin gehegten Wunsch, sie im ganzen Reich 
durch Schöffengerichte zu ersetzen, über die Competenzabgränzung des 
obersten Reichsgerichts, für eine internationale Einheit des Wechsel- 
rechts zwischen Gesammteuropa und Nordamerika und über die Preß= 
gesetzfrage. 
Gneist bezeichnet in seiner Eröffnungsrede als das ruhig und consequent 
anzustrebende Ziel, zu dem auch der heutige Juristentag nur eine Station 
bilde, die Wiederherstellung des gemeinsamen deutschen Rechts und spricht die 
Hoffnung aus, die Schaffung eines allgemeinen deutschen Gesetzbuchs bald zu 
erleben. Das lebhafteste Interesse erregt die Frage, ob Schöffen gerichte 
an Stelle der Schwurgerichte treten sollen. Appellrath Stenglein 
(München) spricht sich in seinem Referate unter allgemeinem Beifall da- 
hin aus, daß ehe man Erfahrungen über die Schöffengerichte gesammelt 
habe, die vom Volksvertrauen getragenen Schwurgerichte nicht aufgegeben 
werden dürften. Das Schicksal des Tags aber entscheidet eine Rede von Gneist, 
welcher sich mit Energie für die Beibehaltung der Schwurgerichte erklärt und 
nur eine Reform derselben verlangt, indem er eine selbständigere Stellung der 
Geschwornen mit einer vereinfachten Fragestellung (auf die ganze Schuldfrage) 
als das Nothwendigste bezeichnet. Generalstaatsanwalt Schwarze aus Dres- 
den hat es nur seiner persönlichen Beliebtheit zu verdanken, daß die Abtheilung 
sein langes Plaidoyer für die Schöffengerichte geduldig anhört; er vertritt 
eine ganz unpopuläre Sache, und es bedarf seines ganzen Pathos, um 
sich gegen den wiederholt gehörten Vorwurf zu vertheidigen, daß er mit 
seiner Schöffenidee sich als „Fühler“ gebrauchen lasse. Als Schwarze 
mit dem Ausrufe schließt, man werde in wenig Jahren mit ihm sich für 
Schöffengerichte erklären, schallt ihm der donnernde Ruf entgegen: Abwarten! 
Dagegen wird folgende Resolution des Oberstaatsanwalts v. Lauhn aus 
Halberstadt angenommen: „Der Juristentag spricht seine Ueberzeugung dahin 
aus, daß kein Bedürfniß vorhanden ist, die Schwurgerichte in den schweren
	        
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