Full text: Europäischer Geschichtskalender. Dreizehnter Jahrgang. 1872. (13)

184 Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. 
die Vergangenheit einzuschränken, ohne bei dieser Gelegenheit Bürgschaften für 
die Zukunft von Ew. bischöfl. Gnaden nochmals zu verlangen. Mein Ersuchen 
vom 9. d. M. ging deßhalb nur auf ein Anerkenntniß der Thatseche, daß 
Ew. bischöfl. Gnaden in der Vergangenheit gegen die Landesgesetze gefehlt 
haben. Dieses Verlangen war ein mindev weitgehendes und leichter erfüll- 
bares, als das frühere, welches auf Zusicherungen in Betreff Ihres zukünftigen 
Verhaltens gerichtet gewesen uud von Ew. bischöfl. Gnaden nicht erfüllt wor- 
den war. Daß Ew. bischöfl. Gnaden eine solche Erklärung nicht oder wenig- 
stens nicht rechtzeitig mehr haben abgeben können, bedauere ich lebhaft, da es 
mir erwünscht gewesen wäre, unabhängig von den Beziehungen zu Sr. Moj. 
Regierung wenigstens Ew. bischöflichen Gnaden persönliches Verhältniß zu 
* Majestät dem Kaiser in einer der Feier entsprechenden Weise geordnet 
zu sehen.“ 
18.—20. Sept. Conferenz der deutschen Bischöfe in Fulda. Dieselben 
haben sich zu derselben vollständig persönlich oder durch Stellvertreter 
eingefunden, auch der Bischof von Straßburg und Bischof Hefele von 
Rottenburg, und nur der Erzbischof von Posen und Gnesen fehlt. 
Es wird eine Denkschrift „über die gegenwärtige Lage der katholische 
Kirche im deutschen Reiche vereinbart, die allen Regierungen überreicht 
werden soll. 
Die sehr umfangreiche Denkschrift sucht zuerst nachzuweisen, daß die 
kaih. Kirche in Deutschland völker= und staatsrechtlich anerkannt sei und 
in ihrer ganzen Integrität zu Recht bestehe und behauptet dann: „Steht es 
hiernach fest, daß die katholische Kirche in Deutschland, wie zuvor und seit 
unvordenklichen Zeiten, das unantastbare Recht hat, in der ganzen Integrität 
ihrer Verfassung und ihres Wesens zu bestehen, so kann es wieder keinem 
Zweifel unterliegen, daß sie durch eine Reihe von Maßregeln sowohl im Reiche 
als in einzelnen Reichslanden in diesen ihren Rechten schwer verletzt worden 
ist!“ Dieses wird einläßlich nachgewiesen in der Behandlung der sog. Allka- 
tholiken, in der Differenz mit dem Bischof von Ermeland betr. die kirchlichen 
Excommunicationen, in der Differenz mit dem Armeebischof, in dem Jejuiten- 
gesetz, in der Vertreibung der einer geistlichen Genossenschaft angehörigen Lehrer 
und Lehrerinnen aus den Schulen, in dem Verbot für die Schulkinder und 
die christliche Jugend, an religiösen Vereinen theilzunehmen, in dem sog. 
Kanzelstrafparagraphen 2c. Dabei stellen sich die Bischöfe sehr entschieden auf 
Seite des Bischofs von Ermeland in seinem Streit mit der preußischen Staats- 
regierung und erklären unumwunden, daß sie in gleichem Falle das Gleiche 
thun werden: „Das Einschreiten der Staatsregierung gegen den Bischof von 
Ermeland wegen der von ihm in vollkommen berechtigter Weise verhängten 
Excommunicationen, hat uns um so mehr überrascht, als in dem Laufe der 
Zeit gegen die in, den einzelnen Diöcesen von den Bischöfen verhängten Ex- 
communicationen, auch wenn sie öffentlich von den Kanzeln verkündet wurden, 
seitens der weltlichen Behörde nie ein Anstand erhoben worden ist. Was Bischof 
Crementz gethan, hat er im guten Bewußtsein seines ihm zustehenden Rechtes und 
in der Ausübung seines oberhirtlichen Wächteramtes gethan, ohne eine Ahnung, 
daß ihm dadurch ein Conflict mit der Staatsregierung erwachsen könnte. Wir 
würden im gleichen Falle uns das gleiche Recht nicht bestreiten las- 
sen können.“ Ebenso entschieden ist auch die Stelle Zuhanden der preußi- 
schen Staatsregierung: „Leider scheint sich die Zukunft für uns noch trüber 
zu gestalten. Dieselben Stimmen, die sich mit so viel Erfolg für die bis- 
herigen Maßregeln geltend machten, verlangen, daß das ganze Verhältniß des 
Staates zur katholischen Kirche ohne Verhandlung und Vertrag mit der Kirche 
und ihrem Oberhaupte einseitig durch die Staatsgesetzgebung ganz neu geregelt 
werde, und zwar nicht im Geiste der kirchlichen Freiheit und einer christlichen. 
 
	        
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