Full text: Europäischer Geschichtskalender. Dreizehnter Jahrgang. 1872. (13)

186 Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. 
als eines Sacramentes der katholischen Kirche, sowie die Rechte, welche der 
katholischen Kirche kraft göttlicher Anordnung in Bezug auf dies Sacrament 
zustehen. Dies ist das offene und einmüthige Zeugniß, das wir vor Gott, 
vor dem wir einst von der Verwaltung unfres Hirtenamtes Rechenschaft zu 
geben haben, und vor aller Welt öffentlich und feierlich abzulegen uns ge- 
drungen fühlten. Wir glauben gethan zu haben nach den Worten der hl. 
Schrift: „credidi propter quod locutus sum.“ Die hier von uns ausge- 
sprochenen Grundsätze werden immerdar die Richtschnur unsers Handelns sein, 
und wir erachten uns verpflichtet, dafür jedes Opfer, auch das schwerste zu 
bringen, denn es sind die Grundsätze, die uns unser göttlicher Lehrmeister selbst 
gelehrt; der gesagt hat: „Gebet dem Kaiser, was des Kaisers, und gebet 
Gott, was Gottes ist.“ 
19. Sept. (Bayern.) Hr. v. Gasser, der bayer. Gesandte in Stuttgart, 
unterbreitet endlich dem Könige seine Vorschläge für die Bildung 
eines gemäßigt ultramontan-particularistischen Ministeriums: Aeußeres 
v. Gasser, Inneres Frhr. v. Lerchenfeld, Finanzen Staatsrath v. Lob- 
kowitz, Cultus Advocat v. Auer; Justiz und Krieg würden noch fehlen. 
Der König geht auf den Vorschlag nicht ein. Das bisherige Mi- 
nisterium bleibt: Finanzminister v. Pfretzschner wird zum Minister des 
Auswärtigen und Ministerpräsident und an seine Stelle der bisherige 
Bevollmächtigte Bayerns beim Bundesrath Berr zum Finanzminister 
ernannt. 
„Der Verlauf und das Ende der von dem Frhn. v. Gasser unkernommenen 
Versuche, ein sog. gemäßigt patriotisch-particularistisches Ministerium zu bilden, 
hat deren vollständige Impotenz dargethan. Diese Partei, welche durch eben 
jene Versuche zum ersten Mal in das practische Gebiet eintrat, besitzt wie keine 
numerische Macht ebenso nicht die nöthige Anzahl von Intelligenzen und diese 
wiederum besitzen nicht das nöthige Selbstvertrauen, um als regierungsfähig 
gelten zu können.“ 
20.—22. Sept. Congreß der Altkatholiken in Köln. Es nehmen daran 
über 400 Delegirte aus allen Gegenden Deutschlands Theil. Prof. 
v. Schulte aus Prag wird einstimmig zum Präsidenten gewählt. 
Beschlüsse 
I. betr. die Organisation der Seelsorge: „Der Congreß erklärt 
sich mit folgenden Sätzen einverstanden, welche sich an die Erklärung der 
Münchener Pfingst-Versammlung Nr. 4 und an die Resolution des Münchener 
Congresses anschließen: 1) Die wegen ihrer Glaubenstreue suspendirten oder 
excommunicirten Priester find zur Vornahme aller priesterlichen Acte berechtigt: 
sie können die kirchlichen Heilsmittel nicht nur giltig, sondern auch, in An- 
betracht des durch die vaticanischen Bischöfe und Geistlichen geschaffenen Noth- 
standes, erlaubter Weise spenden und müssen sich im Falle des Bedürfnisses 
zur Spendung derselben verpflichtet erachten. 2) Die der alten Kirche unbe- 
kannte, nur auf positiver Gesetzgebung beruhende Regel, daß jeder Priester zur 
Spendung des Bußsacramentes der Approbation des Bischofs bedarf, kann 
bei dem gegenwärtigen Nothstande nicht als bindend angesehen werden. 
3) Deßgleichen sind die auf der Diöcesan-Eintheilung beruhenden Beschrän- 
kungen der priesterlichen Thätigkeit unter den gegebenen Verhältnissen nicht 
als bindend zu erachten. 4) Wo sich das Bedürfniß herausstellt, sind die dem 
alten Glauben treu gebliebenen Katholiken berechtigt, eine regelmäßige Seel- 
sorge durch Bestellung eines Pfarrers zu organisiren. Ein solcher kann unter 
den jetzigen Verhältnissen auch ohne Institution und trotz des Widerspruchs 
des vom alten Glauben abgefallenen Bischofs alle pfarrlichen Functionen
	        
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