Full text: Europäischer Geschichtskalender. Dreizehnter Jahrgang. 1872. (13)

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dürfniß der Gegenwart, daß die evangelische Kirche dem Staate gegenüber sich 
selbstständig verfasse und rein kirchliche Organe der Selbstverwaltung ihrer 
Angelegenheiten aus sich erzeuge, namentlich aus der Parochie die vollberechtigte 
Gemeinde hervorgehen und durch Laienälteste zur Seite des Pfarramts ver- 
treten lasse, die Gemeinden eines Kreises unter der Superintendentur und 
der Kreissynode zusammenfasse, endlich die synodale Gemeindevertretung wo 
es nöthig, in Provinzialsynoden, jedenfalls in der Landessynode abschließe und 
in angemessener Weise mit dem Provinzialconsistorium, respective dem Ober- 
consistorium zur kirchlichen Einheit verbinde. IV. Der 16. Kirchentag erklärt, 
wie seiner Zeit der erste, die innere Mission oder Ddie Rettung des evangelischen 
Volkes aus seiner geistigen und leiblichen Noth durch Aufbietung aller leben- 
digen Kräfte in der Gemeinde für die große Aufgabe der Kirche in der Gegen- 
wart und hält in dankbarer Erinnerung des von dem Congreß für innere 
Mission in den verflossenen 24 Jahren empfangenen Segens die frcie Ver- 
bindung mit ihm fest.“ Ueber die Stellung der evang. Kirche in 
Deutschland gegenüber dem Staate und ihre Organisation 
innerhalb desselben (Referent Prof. Baur aus Leipzig): „I. Durch die 
Gründung des deutschen Reiches ist auch eine Neugestaltung der evangelischen 
Kirche innerhalb desselben nothwendig geworden. II. Diese Neugestaltung hat 
sich vorzugsweise zu beziehen 1) anf die Loslösung der Kirche aus ihrer bis- 
herigen, die freie Entfaltung und selbstständige Organisation ihres eigenthüm- 
lichen Lebens hemmenden Abhängigkeit von dem paritätisch gewordenen Staate, 
sowie auf die Herstellung dieser selbstständigen Organisation und 2) auf die 
Her tellung der bisher fehlenden lebendigen Wechselbeziehung und engeren Ver- 
bindung zwischen den evangelischen Landeskirchen Deutschlands. III. Die 
Loslösung der Kirche von der ihr eigenthümliches Leben hemmenden Abhängig- 
keit von dem Staate ist nicht im Sinne einer absoluten Trennung der Kirche 
von dem Staate zu verstehen. Vielmehr sind beide berufen, in organischer 
Verbindung und wechselseitiger Unterstützung und Ergänzung, ein jedes auf 
dem ihm eigenthümlichen Lebensgebiete, das Wohl des Volkes zu fördern. 
IV. Abgesehen von den Hoheitsrechten, welche der staatlichen Obrigkeit als 
solcher auch über die Kirche zustehen und mit welchen die Pflicht des Staates 
zusammenhängt, der Kirche die zu ihrer selbstständigen Organisation erforder- 
lichen materiellen Mittel darzureichen, muß der Zusammenhang, in welchem 
die deutsche evangelische Kirche, ihrer Natur nach, von Anfang an mit Volk 
und Staat gestanden hat, auch ferner sich darin bethätigen: 1) daß die deutschen 
evangelischen Kirchen Landeskirchen bleiben; 2) daß der Staat mindestens in 
der obersten ständigen Kirchenbehörde seine Vertreter hat und zu der Landes- 
beziehungsweise Provinzialsynode seine Commissäre entsendet; 3) daß dem 
evangelischen Landesherrn das Oberältestenamt in der evangelischen Kirche 
seines Landes verbleibt. V. Der Landessynode liegt, soweit ihre Competenz 
nicht durch die der Provinzialsynoden beschränkt ist, die selbstständige Ordnung 
und Verwaltung der die Landeskirche im Ganzen betreffenden kirchlichen An- 
gelegenheiten ob. VI. Die für eine zusammenhängende Leitung der kirchlichen 
Angelegenheiten unentbehrlichen ständigen kirchlichen Behörden sind auf allen 
Stufen des Verfassungsorganismus mit den bezüglichen synodalen Elementen 
in angemessener Verbindung zu erhalten.“ Betreffend das Bekenntniß 
(Referent v. Bethmann-Hollweg): „Wir bekennen uns, wie alle früheren 
Kirchentage, zu dem in den reformatorischen Bekenntnißschriften bezeugten 
Glaubensgrunde, mit andern Worten: wir bekennen gleich den Vätern der 
Reformation, mit unserm Glauben auf dem Grunde der Apostel und Pro- 
pheten zu stehen, da Jefus Christus, des lebendigen Gottes eingeborener Sohn, 
um unserer Sünde willen am Kreuze gestorben und um unserer Gerechtigkeit 
willen auferweckt, der Eckstein ist, und wir reichen Allen, die sich in diesem 
Bekenntniß mit uns eins wissen, die Bruderhand zu gemeinsamer Arbeit für 
den Aufbau des Reiches Gottes in unserem Volke und zum Kampf wider die
	        
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