Full text: Europäischer Geschichtskalender. Dreizehnter Jahrgang. 1872. (13)

Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. 199 
samkeit zu entfalten haben. 7) Die Discussion und Entscheidung über die bei 
der ländlichen Arbeiterfrage noch streitigen wirthschaftspolitischen Probleme 
liegt außerhalb der Competenz der Kirche."“ 
Der Kirchentag, eine freie Versammlung evangelischer Geistlicher und Laien 
zur Berathung kirchlicher Angelegenheiten und Fragen, welche, im Sept. 1848 
zu Wittenberg gegründet, will alle auf dem Boden der Bekenntnißschriften 
flehenden Kirchengesellschaften umfassen und zählt fast 800 Theilnehmer. Die 
dießjährigen Verhandlungen zeigen einen gegen denjenigen früherer Jahre 
entschieden milderen und versöhnlicheren, auch denjenigen, die in ihren Ueberzeu- 
gungen von denjenigen der Versammlung abweichen, entgegenkommenderen Ton. 
. Oct. (Preußen.) Der Geh. Rath Stiehl, der Urheber der preuß. 
Schulregulative, wird auf den 31. Dec. d. J. definitiv entlassen und 
bis dahin weiter beurlaubt. Die berufenen Schulregulative sind im 
preuß. Unterrichtsministerium endgültig ein überwundener Standpunkt. 
„ (Preußen.) Differenz zulschen dem Bischof von Münster und 
der Regierung aus Anlaß der Wiederbesetzung der erledigten ordent- 
lichen Professur in der philosophischen Facultät der Akademie zu 
Münster. 
Von den fünf altkatholischen Professoren der Facultät ist für den Lehr- 
stuhl der altkatholische Gymnasiallehrer Dr. W. Schuppe am Bentheim- 
Gymnasium in Vorschlag gebracht, gegen dessen Berufung bie beiden üÜbrigen 
Mitglieder der Facultät und der Bischof Brinckmann protestirt haben, letzterer 
unter der Drohung, den Theologie-Studierenden den Besuch der Schuppe'schen 
Vorlesungen verbieten zu wollen. 
„ (Preußen.) Der Bischof von Ermeland protestirt in einer Zuschrift 
an den Cultminister gegen die wider ihn verfügte Temporaliensperre, 
indem „die Dotationen der preußischen Bischöfe auf einem Staatsvertrage 
mit dem Oberhaupte der kath. Kirche beruhten und Emolumenite seien, welche 
der Staat Preußen dem römischen Stuhle gegenüber nach der Bulle de salute 
animarum den Bischöfen aus den eingezogenen Kirchengütern zu verabfolgen 
sich verpflichtet habe. Er halte sich hienach für befugt, die nach dem Staats- 
haushaltsetat für ihn ausgeworfenen Emolumente im Rechtswege zu bean- 
spruchen und behalte sich die Beschreibung derselben vor.“ Bis Ende des 
Jahrs erfolgt indeß eine Klage des Bischofs bei Gericht nicht. 
„ (Preußen.) Bei dem Bischof Martin in Paderborn erscheint 
ein Gerichtsrath mit seinem Protokollführer, um im Auftrage der 
Staatsanwaltschaft von demselben die Originalien der s. Z. so viel 
besprochenen Briefe protestantischer Pastoren der Provinz Sachsen zu 
verlangen. Der Bischof verweigert die Herausgabe, worauf ihm der 
Befehl vorgezeigt wird, für diesen Fall zur Haussuchung zu schreiten. 
Diese erfolgt und werden die Briefe mitgenommen. 
„ (Elsaß-Lothringen.) Der Optionstermin hat mit diesem Tage 
sein Ende erreicht. Die Zahl der für Frankreich Optirenden hat die 
Summe von 162,633 Personen erreicht. In Folge der Agitation 
der Französisch-Gesinnten haben indeß sehr Viele bloß zur Demonstration 
optirt, welche nicht daran denken, ihren Wohnsitz nach Frankreich zu 
verlegen. Die mit Wirksamkeit durch thatsächliche Auswanderung er- 
folgte Option umfaßt nur ca. 38,800 Personen, außerdem sind von
	        
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