Full text: Europäischer Geschichtskalender. Dreizehnter Jahrgang. 1872. (13)

Das deutsche Relch und seine einzelnen Elieder. 217 
des „Non placet“ am 17. Juli gegen die letzte Form des Dekretes gerichtet 
war; dieß gegen Herrn v. Ketteler. Genehmigen Sie die Versicherung aus- 
gezeichneter Hochachtung und innigster Theilnahme, worin ich verharre Ihr 
ergebenster Dr. v. Hefele, Bischof v. Nottenburg." 
Eine längere Auslassung der offiziösen preußischen Prov.-Corresp. gegen 
den Bischof Ketteler von Mainz und über den obigen Brief des Bischofs Hefele 
schließt damit: „Die deutschen Bischöfe können nur wünschen, daß die Aklen 
über das Concil und über ihr Verhalten zu demselben möglichst bald ge- 
schlossen werden könnten; denn wo man dieselben auch ausfschlagen möge. 
überall findet man nur unwiderlegliche Zeugnisse von der traurigen Rolle, 
welche sie dort gespielt haben, unwiderlegliche Zeugnisse von der klaren Vor- 
aussicht der hereinbrechenden. Gefahren und Wirren, aber zugleich von der 
Schwäche und dem Mangel an Muth, dem Unheil zu wehren.“ Prof. Rein- 
kens in Bonn richtet an Bischof Hefele ein offenes Sendschreiben in dem er 
die grellen Widersprüche in den verschiedenen Aeußerungen derselben scharf 
hervorhebt und damit schließt: „Ist es Ihnen, wie Sie sagen, gelungen, die 
einnere Nuhe“ durch Aufopferung Ihrer bessern Ueberzeugung zu gewinnen, 
so wird es Ihnen doch nicht gelingen, sie zu bewahren. In Ihrer Diöcese 
hat Clerus und Volk sich innerhalb zwei Jahren wenig geändert. Daß die 
Tübinger katholisch-theologische Fakultät insgesammt nicht an die Unfehlbar- 
keit des Papstes, ex sese, non autem ex consensu Ecclesiae, glaubt und 
dagegen lehrt, ist notorisch: versuchen Sie, dieselbe zum Bekennen und Lehren 
des Infallibilismus zu zwingen, und Ihre innere Ruhe ist hin, wenn Sie 
auch nur auf zwei Charaktere innerhalb dieser Corporation stoßen. Wagen 
Sie es, Ihren Pfarrclerus zum offenen Bekenntniß des vaticanischen Dekrets 
zu nöthigen, und verloren ist Ihre „innere Ruhe." Eins haben wir Ihrer 
Erklärung zu danken. Sie haben den Eindruck der Fuldaer Denkschrift für 
die Staatsregierungen verschärft. Diese werden endlich einsehen, daß es mit 
der Beförderung „nicht compromittirter", „milder", „vermittelnder Persönlich- 
keiten“ auf die Bischofsstühle nichts ist. Weder wird die preußische Staats- 
regierung den polnischen Monsignor v. Wolanski — der übrigens nicht cin- 
mal eine solche Persönlichkeit ist — zum Nachfolger Namszanowski's machen, 
noch den badensischen Hrn. Alzog auf den erzbischöflichen Stuhl von Freiburg 
setzen. Sie werden überhaupt einsehen, daß jeder von Rom approbirte Bischof 
in seinem Lehren und Handeln keine eigene Ueberzeugung und Gesinnung mehr 
hät, daß da aller Patriotismus eitel Schein und Trug ist, daß der Hr. Bi- 
schof Roms Lehren lehrt, Roms Parolen ausgibt, hart oder milde ist auf 
Befehl der fremden Curie. Die Staatsregierungen werden endlich erkennen, 
daß, wer um Bischof zu werden, dem Papste den berüchtigten Vasalleneid 
leistet, in welchem er sechs Mal diesen seinen Herrn nennt und nur Pflichten 
gegen diesen beschwört, — in seinem Innern kein Deutscher mehr sein kann, 
sondern einzig und allein ein Organ römischer Interessen in Deutschland.“ 
Auch die vom Kölner Altkatholikencongreß eingesetzte Commission erläßt 
eine Antwort auf die Denkschrift der Bischöfe, aus der folgender Punkt von 
politischer Bedeutung hervorgehoben werden mag: . 5) Die Behauptungen 
der Denkschrift über die päpstliche Auffassung des Verhältnisses von Staat und 
Kirche enthalten, im Hinblicke auf die bekannten zahlreichen Stuhlsprüche der 
Päpste von Gregor VII. bis auf den Syllabus Pius IX., auf die Theorien des 
päpstlichen Organs Civilta cattolica, auf die Eingabe der Bischöfe vom 
10. April 1870 an das „vaticanische Concil“, Unwahrheiten, die um so schwe- 
rer ins Gewicht fallen, als die Unterzeichner wissen müssen, daß die Souveränc= 
tät des Papstes über alle menschliche Creatur, die Ungiltigkeit jedes vom Papste 
verworfenen Staatsgesetzes, die absolute Verpflichtung der Fürsten, dem Papste 
zu gehorchen, durch ihre Unterwerfung unter das Dogma des 18. Juli 1870 
seitdem nach der eigenen am 10. April 1870 constatirten Erklärung für sie 
ein unabänderlicher Glaubenssatz ist.“
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.