218 Das deutsche Reich und felne einjelnen Glieder.
— Okt. (Bayern.) Das „Passauer Tagblatt“, das Organ des dortigen
Bischofs, bekämpft anhaltend und nachdrücklich das politische Gebahren
der ultramontanen Partei und Presse und die Agitation der sogen.
katholischen Bauernvereine, steht aber darin in der gesammten specifisch
katholischen Presse Deutschlands ganz allein.
— „ Prof. Friedberg in Leipzig veröffentlicht ein Buch: „Die Grenzen
zwischen Staat und Kirche und die Garantieen gegen deren Verletzung“,
das als Grundlage der von der preußischen Regierung im Spätsommer
zur Berathung beigezogenen Conferenz von Kirchenrechtslehrern und
als Vorläufer der von der preuß. Regierung in Aussicht genommenen
Gesetzesvorlagen behufs Wahrung der Rechte des Staats gegen die
Uebergriffe der katholischen Kirche betrachtet wird.
Der Verfasser führt den Leser an der Hand der Geschichte durch alle
Länder und Zeiten, und zeigt, daß der Kampf zwischen den Rechten des
Staats und den auf das kanonische Recht gestützten Prätentionen der katho-
lischen Kirche seit vielen Jahrhunderten und überall gekämpft wurde, wo die
katholische Kirche überhaupt zu nennenswerther Bedeutung gelangle, und zwing!
ihn zu der Ueberzeugung, daß der Kampf, in den das neue deutsche Neich in
so erbitlerter Weise verwickelt wurde, kein neuer, sondern ein urallter ist, und
daß die Kampfesweise der Curie und des Ultramontanismus, ebenso wie dic
Wafssen, die dem Staat in jenem Kampfe zu Gebole stehen, nur dann ein
richtiges Verhältniß auch von Seiten der berufenen Staatsmänmer werde fin-
den können, wenn dasselbe auf Grund der historischen Forschung gewonnen
wird. Wohin man mit abstrakten Construktionen Über das Verhälfniß von
Staat und Kirche kommt, darüber spricht sich die Verfossung mehrsach in
scharser, fast bitterer Weise aus, besonders bei Gelegenheit der Besprechung
der staatskirchlichen Zustände Belgiens, des bejammernswürdigen Eldorado's
kirchlicher Freiheit.
1. Nov. (Preußen.) Die Regierung schließt den Landtag. Eine kgl.
Verordnung beruft denselben auf den 12. d. M. wieder ein. In der
Zwischenzeit soll der Pärsschub erfolgen. Die offiziöse Presse erklärt,
die Stellung Preußens in Deutschland fordere zur raschesten Vermiltelung
oder Beseitigung der vom Herrenhause heraufbeschworenen Gegensätze auf.
Preußen habe den Veruf zur Einigung Deutschlands in der Eintracht seiner
intelcktuellen Kräste gefunden und müssse dieses kostbare Gut durch sein Vor-
angehen auf der betretenen Bahn bewahren. Es würde seiner Bestimmung
untreu werden, wenn der Keim einer Disharmonie nicht beim Entstehen be-
seitigt würde.
— „ (Mecklenburg.) Die sog. commissarisch -deputatischen Verhand-
lungen über die von den beiden Regierungen vorgeschlagene Verän-
derung der Verfassung haben zu keinem Resultat geführt, da die
landschaftlichen Mitglieder die Regierungsvorlage mit aller Entschic-
denheit als völlig ungeeignet abgelehnt haben.
— „ (Baden.) In Folge des auf dem letzten Landtag zu Stande
gekommenen Gesetzes, das den Mitgliedern religiöser Orden und Con-
gregationen die Lehrthätigkeit im Großherzogthum untersagt, ergeht ein
Ministerialerlaß, nach welchem dieselben ihre bisherige Lehrthätigkeit
binnen vier Wochen einzustellen haben.