230 Das deutsche Reich und seint einzelnen Slieder.
288 gegen 91 Stimmen angenommen. Dagegen stimmt der größte
Theil des clericalen Centrums, die Polen und der entschieden feudal-
gesinnte Theil der Rechten.
In der Debatte bestreitet der Minister des Innern den Conservativen
gegenüber, daß die Regierung einen unerlaubten Druck auf das Herrenhaus
ausgeübt habe: die Regierung habe nur den großen Werth betont, welchen
sie auf die Vorlage lege. Ueber die Mittel zur Sicherung des Gesetzes im
Herrenhause lasse sich hier nicht discutiren. Der Minister fragt, ob das
Herrenhaus oder die Rechte des Abgeordnetenhauses, als die Armeeorganisa-
tion in Frage gewesen, gegen die Auflösung des Abgeordnetenhauses polemi-
firt habe Die Regierung halte die Kreisordnung für genau so nothwendig,
wie seiner Zeit die Armee-Neorganisation, und bedaure, daß ein Theil der
Rechten dieß nicht anerkennen wolle. Wenn man an die Dienste erinnert werde,
welche die Conservativen in der Confliktszeit dem Ministerium geleistet, so müsse
er an das erinnern, was die Regierung damals für die Conservativen gethan.
Die äußerste Rechte beseitigt die gemäßigte Richtung im Vorstande
der Fraction gelegentlich der Neuwahl desselben. Die Scheidung der
beiden Elemente der Fraction wird dadurch eine vollendete Thatsache.
Die Gemäßigten constituiren sich als eine besondere Fraction unter
dem Namen der „Nationalconservativen“.
27.—28. Nov. (Preußen.) Abg.-Haus: Debatte über die clericalen In-
terpellationen von Reichensperger betreffend den katholischen Religions-
unterricht am Braunsberger Gymnasium und von Mallinkrodt betreffend
die angebliche Verfassungswidrigkeit des Erlasses des Cultministers
vom 15. Juni d. J., der die Mitglieder geistlicher Congregationen
und Orden von der Lehrthätigkeit an öffentlichen Schulen ausschließt.
Rede des Unterrichtsministers Falk. Beide Interpellationen werden
durch motivirte Tagesordnungen mit 264 gegen 83 und mit 242
gegen 83 Stimmen beseitigt.
Die Fractionen des Abgeordnetenhauses, mit alleiniger Ausnahme des
elericalen Centrums, waren über diese Anträge in Berathung getreten, und
haben sich durch Vertrauensmänner dahin verständigt, die Anträge durch fol-
gende motivirte Tagesordnungen zu beseitigen. I. In Erwägung, 1) daß das
Haus der Abgeordneten keine Veranlassung hat, zur Zeit eine Entscheidung
über die gegenwärtig die katholische Kirche bewegenden dogmatischen Streit-
fragen zu treffen, 2) daß durch die Anordnung der Staatsregierung der Zwang
zum Besuche des Religionsunterrichts des Dr. Wollmann beseitigt ist, und
zwar genau in der Weise, wie die Antragsteller dieß in dem Antrage vom
12. December 1871 verlangt haben, geht das Haus der Abgeordneten über
die Anträge der Abgeordneten Reichensperger und Genossen zur Tagesordnung
über. II. In Erwägung, 1) daß bisher kein Gesetz die Bedingungen regelt,
unter denen die Zulassung zu dem Amt eines öffentlichen Lehrers erfolgen
soll, und daß nach Art. 112 der Verfassungsurkunde und dem hiernach gil-
tigen Rechtszustande die Regelung und nähere Erläuterung der Bedingungen
im Verwaltungswege zulässig erscheint, 2) daß ferner, soweit ein Gesetz nicht
entgegensteht, es zur Aufgabe der Verwaltung gehört, festzustellen, unter
welchen Umständen die Uebernahme des Lehramts neben einem sonstigen Be-
ruf ausgeschlossen oder ausnahmsweise zugelassen werden soll; 3) daß endlich
das Haus der Abgeordneten den Grundsatz, Mitglieder geistlicher Congrega-
tionen und Orden von dem Amt eines öffentlichen Lehrers fernzuhalten, dem
Interesse des öffentlichen Unterrichts und dem Aufsichtsrechts des Staats ent-