Full text: Europäischer Geschichtskalender. Dreizehnter Jahrgang. 1872. (13)

Das deutsche Reich und seine rinjelnen ölieder. 235 
trotz der heftigen Opposition der in ihnen sitzenden Pfarrer, mit großer Mehr- 
heit die HDand. In Niederbayern wird das Postulat dagegen abgelehnt. 
5. Dec. (Preußen.) Die offiziöse Prov.-Corresp. äußert sich über den 
erfolgten Pärsschub folgendermaßen: 
„Dieser Schritt war nothwendig, zunächst um das Zustandekommen der 
Kreisordnungsreform, für welche die Regierung des Königs ihre Autorität 
eingesetzt hat, zu sichern, aber auch Über diesen nächsten Zweck hinaus, um 
den festen Entschluß der Krone zu bekunden, die weitere nothwendige Ent- 
wickelung der preußischen Einrichtungen nicht zum Stillstand bringen zu lassen. 
Das Herrenhaus ist in dem Zusammenhange unserer Staatseinrichtungen 
allerdings dazu berufen, einem überstürzenden Drängen zu Neformen einen 
heilsamen Widerstand leisten und in solchem Geiste auch der Kronc unberech- 
tigten Zumuthungen des Abgeordnetenhauses gegenüber zur Stütze zu dienen; 
aber nimmer kann es die Aufgabe eines Oberhauses in dem königlichen Preu- 
ßen sein, sich auch solchen Veränderungen und Verbesserungen der Gesetzgebung 
hindernd entgegenzustellen, welche im Nathe der Krone seit geraumer Zeit 
reiflich erwogen und als nothwendig erkannt worden ...Daß Letteres in 
Bezug auf die jetzt beabsichtigte Verwaltungsreform der Fall ist, darüber 
konnte Niemand im Zweifel sein... Die Regierung des Königs ist es daher 
sich selbst und dem Lande, sie ist es auch dem Abgeordnetenhause, welches mit 
einer seltenen Einmüthigkeit fast aller Parteien auf die Absichten und Gesichts- 
punkte der Regierung eingegangen ist, schuldig, das Gelingen der allseitig vor- 
bereiteten Reform und deßhalb die Vorlage in ihrer nunmehr vereinbarten 
Gestalt nicht wieder in Frage stellen zu lassen. Die Krone hat aber bei dem 
Gebrauche ihres Rechts zugleich eine Rücksicht auf die Ueberzeugungen der bis- 
herigen Mehrheit des Herrenhauses selbst geülbt. Es hat freilich an Versuchen 
aus den bisher widerstrebenden Kreisen des Herrenhauses nicht gefehlt, den 
Gebrauch jenes außerordentlichen Rechtes Seitens der Krone dadurch abzu- 
wenden, daß eine veränderte Haltung des Hauses in seinem bisherigen Be- 
stande in Aussicht gestellt wurde. In der That liegen Anzeichen vor, daß ein 
Theil der bisherigen Mehrheit sich nur durch irrthümliche Gerüchte über die 
Auffassungen und Wünsche innerhalb der Regierung selbst zur Theilnahme 
an den schroffen Beschlüssen des Hauses hatte bestimmen lassen, daß dagegen 
jetzt, wo über die entschiedenen Absichten der Regierung kein Zweifel mehr ob- 
waltet, die Zahl der ausdrücklich Widerstrebenden sich erheblich vermindern werde. 
Aber abgesehen von der politischen Unmöglichkeit, den Entwurf der Kreisordnung 
noch einmal den Abänderungsversuchen einer zweifelhaften Mehrheit preiszu- 
geben, hielt es die Regierung des Königs auch der Würde des Herrenhauses 
selbst mehr entsprechend, daß die veränderten Beschlüsse von vornherein unter 
der Mitwirkung neu berufener Mitglieder gefaßt würden, als unter dem an- 
scheinenden Zwange einer fortdauernden Drohung gegen das Haus. Wenn 
auch die versöhnlicheren Stimmungen vieler Mitglieder nicht ohne jeden Ein- 
fluß auf die Entschließungen der Regierung bleiben konnten, so erschien es doch 
im Interesse aller Theile geboten, die Hoffnungen und Erwartungen in Bezug 
auf die neue Berathung nicht ausschließlich oder vorzugsweise auf jene innere 
Umstimmung zu gründen."“ 
6.— 7. Dec. (Preußen.) Herrenhaus: Debatte über die Kreisordnungs- 
vorlage. Die Feudalen bekämpfen dieselbe mit Erbitterung. Das 
erste Amendement, welches sie stellen und das der Minister des Innern 
für unannehmbar erklärt, wird in namentlicher Abstimmung mit 114 
gegen 87, also mit einer Mehrheit von 27 Stimmen verworfen. Zwei 
weitere Amendements werden ebenfalls abgelehnt, worauf sie alle wei- 
teren Amendements zurückziehen und auf jede fernere Diseussion ver-
	        
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