Das deutsche Reich und seine einzelnen Slieder. 241
von der Landschaft mit 27 gegen 11 Stimmen die Proposition der
Regierungen abgelehnt, von der Ritterschaft mit 141 gegen 47 Stim-
men angenommen. Ebenso die proponirte corporative Ordnung der
Domanialämter und die näheren Beziehungen des dritten Standes.
Dagegen werden die Concessionen der Regierungen bezüglich der Ge-
setzgebung von beiden Ständen acceptirt. Bezüglich des Finanzwesens
lehnt die Ritterschaft das Budgetsystem mit 83 gegen 67 Stimmen
ab. Im Plenum beider Stände wird sodann die Verfassungsvorlage
im Ganzen von der Landschoft abgelehnt, während die Ritterschaft
sich mit den allgemeinen Grundprincipien der Vorlage einverstanden
erklärt.
17.—19. Sept. (Sachsen.) II. Kammer: beharrt gegenüber der I. Kammer
auf ihren Beschlüssen bezüglich der Behördenorganisation, der Städte-
und der Gemeindeordnung. Demnach hat das sog. Vereinigungsver-
fahren zwischen beiden Kammern einzutreten.
18. „ (Deutsches Reich.) Graf Wesdchlen wird interimistisch zum
Geschäftsträger am Hofe des Königs von Italien ernannt, da die
Stelle eines Gesandten seit dem Tode des Grafen Brassier unbesetzt
geblieben ist.
„ (Preußen.) Abg.-Haus: Initiativantrag betreffend Aufhebung
der Mahl-- und Schlachtsteuer:
Der Finanzminister hebt hervor, daß die Staatsregierung die Aufhebung
der Mahl= und Schlachtsteuer als Staats= und Communalsteuer dringend
wünsche, deren Aufhebung als Communalsteuer aber ohne Einvernehmen mit
den städtischen Behörden für unbillig halte. Die drückendste Steuer sei die
unterste Stufe der Classensteuer. Der Finanzminister weist nach, daß im
Jahre 1871 auf jeden Thaler dieser Stufe eine Execution nothwendig gewor-
den sei; die Regierung könne die Aufhebung der Mahl= und Schlachtsteuer
nicht bewilligen, bevor die Sicherheit gegeben sei, daß diese drückendste Steuer
an deren Stelle nicht eingeführt werde. Der Minister schließt: Wenn man
sagt: „Es wurde 22 Jahre keine Klage im Parlament über diese Steuer ge-
führt“, so entgegne ich: Ist es dann nicht ein Glück, daß im dreiundzwanzig-
sten die Regierung aus freier Initiative auf den Schaden hinweist? (Beifall.)
Die Mehrheit beschließt die Ueberweisung der Vorlage an die Classensteuerge-
setzcommission.
„ „ (Preußen.) Der greise Prediger Sydow in Berlin wird wegen
rationalistischer Anschauungen über die Geburt Jesu, die er in einem
wissenschaftlichen Vortrage dargelegt hat, vom Consistorium der Pro-
vinz Brandenburg mit 5 gegen 4 Stimmen abgesetzt.
„ „ (Württemberg.) II. Kammer: erklärt sich mit 53 gegen 21
Stimmen für die Einführung einjähriger Budgetperioden.
19. „ (Deutsches Reich.) Schluß der Conferenz der Justizminister.
Bezüglich der Gerichtsorganisation ist zwar in den wesentlichsten
Punkten eine Verständigung erzielt worden, nicht aber bezüglich der
Errichtung eines obersten Reichsgerichts. Dem dießfälligen Antrag-
16