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Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder.
eines Revisionsgerichts hinaus gelten, deren Verletzung gleichwohl aber nach
dem der Oberrevision zu Grunde liegenden Gedanken zur Begründung dieses
Rechtsmittels nicht geeignet ist, beziehungsweise welche Rechtnormen nicht Über
den Bezirk eines Revisionsgerichts hinaus gelten, deren Verletzung gleichwohl
aber zur Begründung der Oberrevision geeignet ist.“
— Dec. (Elsaß-Lothringen.) Der Reichskanzler legt dem Bundesrath
einen Gesetzentwurf über das Unterrichtswesen in Elsaß-Lothringen vor,
der dieses den Ansprüchen der katholischen Kirche und den factisch
bestehenden Zuständen gegenüber durchweg und entschieden der Aufsicht
des Staates unterstellt.
Der Entwurf lautet: „§ 1. Das gesammte niedere und höhere Unter-
richtswesen (enseignement primaire et secondaire) wird unter die Aussicht
und Leitung der Staatsbehörden gestellt. Die bestehenden Bestimmungen über
die örtliche Beaussichtigung des niederen Unterrichtswesens bleiben bis auf
weiteres in Kraft. Staatliche Genehmigung ist erforderlich: 1) zur berufs-
oder gewerbsmäßigen Ertheilung von Unterricht, 2) zur Eröffnung einer
Schule, 3) zur Anstellung eines Lehrers an einer Schule. Bestehende Schulen
können durch die Verwaltungsbehörden geschlossen werden, wenn sie den staat-
lichen Anordnungen über Einrichtung und Lehrplan nicht entsprechen. § 2.
Wer ohne die im § 1 vorgesehene Genehmigung berufs= oder gewerbsmäßig
Unterricht erteilt oder eine Schule eröffnet oder an einer von ihm gehaltenen
oder geleiteten Schule einen Lehrer anstellt, desgleichen wer an einer wegen
Nichtbefolgung der staatlichen Anordnung geschlossenen Schule den Unterricht
fortsetzt oder fortsetzen läßt, wird mit Geldbuße bis zu 100 Thlrn. bestraft.
Die Befugniß der Verwaltungsbehörden zur Schließung der Schule ist vom
richterlichen Strafurteile unabhängig. § 3. Dieienigen Personen, welche
auf Grund eines der im Art. 25 des Gesetzes über das Unterrichtswesen vom
15. März 1850 aufgeführten Befähigungstitel mit der berufs= oder gewerbs-
mäßigen Ertheilung von Unterricht bereits begonnen haben, desgleichen die-
jenigen, welche den bisherigen Gesetzen gemäß eine Schule eröffnet haben, be-
dürfen zur Fortsetzung dieses Berufes oder Gewerbes einer staatlichen Geneh-
migung nicht. Lehrer an bestehenden Schulen, welche keinen der Befähigungs-
titel des angeführten Art. 25 besitzen, haben binnen einer von dem Oberprä-
sidenten zu bestimmenden Frist die durch § 1 des gegenwärtigen Gesetzes er-
forderte Genehmigung nachzusuchen. §& 4. Der Reichskanzler ist ermächtigt,
über die Prüfung und Qualifikation der Lehrer, über die Organisation und
den Lehrplan der Schulen, insbesondere die Unterrichtssprache und die obliga-
torischen Lehrgegenstände bei einer jeden derselben, endlich über die Prüfungen
der Schüler Regulative zu erlassen und deren Befolgung durch Inspektionen
zu sichern. Er ist ferner ermächtigt, über das bei Schließung von Schulen
zu beobachtende Verfahren Anordnung zu treffen. Er kann diese Befugnisse
auf den Oberpräsidenten von Elsaß-Lothringen übertragen.“
Den beigefügten Motiven zufolge umfaßt nach den zur Zeit der Ver-
einigung von Elsaß-Lothringen mit dem deutschen Reiche geltenden französi-
schen Bestimmungen das enseignement secondaire die Lyceen und Gemeinde-
Gymnasien (colléges communaux), sowie die von Privaten gehaltenen An-
stalten für den Secundärunterricht, einschließlich der Scoles secondaires ecclé-
Kiastiques; das enseignement primaire die Normalschulen (Lehrerseminare,
éGcoles normales primaires), die öffentlichen und Privat-Elementarschulen
(SCcoles publiques et libres), die Mädchenschulen (Ccoles de filles, die pen-
Sionnats primaires, die sogenannten éCcoles primaires supérieures, die Hand-
werker- und Fortbildungsschulen (écoles d'adultes et d'apprentis), die Be-
wahranstalten (salles d'asile) und einen Teil der gewerblichen Schulen
(Ccoles professionnelles). Ueber die Nothwendigkeit, das enseignement