Gesterreich-Angarn. 255
11. Febr. (Oesterreich.) In Wien constituirt sich eine altkatholische Ge-
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meinde und sucht die Genehmigung der Regierung dazu nach.
„ (Oesterreich.) Nach dem Muster der ungarischen ist nun auch
die cisleithanische Landwehr in 14 Brigaden formirt und sind bereits
die Brigadebefehlshaber, Obersten und Generale des Ruhestandes, für
den Fall der Mobilisirung ernannt.
„ (Oesterreich.) Reichsrath, Abg.-Haus: Die Polen erklären sich
im Verfassungsausschuß gegen das Nothwahlgesetz, dessen Spitze auch
gegen sie gerichtet sei.
Erklärung des Ministerpräsidenten: Man sagt, man schenke den
Ministern Vertrauen, aber ihren Aussprüchen wird kein Vertrauen geschenkt.
Ich habe wiederholt versichert, daß die Regierung so bald als möglich die
Wahlreform in's Werk setzen werde, aber die Regierung behält sich den ge-
eigneten Moment der Durchsetzung vor. Dieser ist selbstverständlich dann ge-
geben, wenn die erforderliche Zweidrittel-Mehrheit zur Durchbringung dieses
Gesetzentwurfes erreichbar sein wird. Dieß zu erreichen ist eben unsere Sorge.
Die Mittel jedoch, wie es geschehen soll, können wir nicht an die große Glocke
hängen. Ich bitte, überzeugt zu sein, daß das Ministerium die Wege, die es
zu wandeln hat, vollkommen überdacht und berathen hat; denn ich glaube,
daß ein jedes Ministerium, welches sich seine Wege vorschreiben ließe, bereits
politisch abgekocht hat. Würde man uns die Wege dennoch vorzeichnen wollen,
so müßten wir lieber die Geschäfte geschicktern und fähigern Händen überlassen.
Ich kann nur wiederholt versichern, daß uns die Wahlreform ebenso dringend
am Herzen liegt, als jedem Mitgliede des hohen Hauses.
„ (Oesterreich.) Die niederösterr. Statthalterei versagt der Con-
stituirung der Wiener altkath. Gemeinde ihre Genehmigung.
„ (Ungarn: Croatien.) Ban Bedekovic wird seiner Stelle enthoben
und der rücksichtslos unionistisch gesinnte Vacanovic zum locum tenens
ernannt.
„ (Oesterreich.) Reichrath, Abg.-Haus: Die Regierung legt dem-
selben eine neue Strafprozeßordnung nebst Einführungsgesetz vor und
einen Gesetzesentwurf betr. zeitweilige Einstellung der Wirksamkeit der
Geschwornengerichte.
Der letztere lautet in seinen Hauptbestimmungen: „Die Wirksamkeit der
Schwurgerichte kann hinsichtlich aller khnen zugewiesenen strafbaren Handlungen
oder einzelner Arten derselben zeitweilig für ein bestimmtes Gebiet eingestellt
werden, wenn daselbst Verhältnisse obwalten, welche Dieß zur Sicherung einer
unparteiischen und unabhängigen Rechtsprechung als nothwendig erscheinen lassen.
Die Einstelluug erfolgt durch kaiserliche Verordnung unter Gegenzeichnung des
Gesammt-Ministeriums. Sie muß binmmen einem Jahre wieder aufhören, so-
ferne nicht ein Gesetz die Regierung ermächtigt, sie noch durch längere Zeit
fortbestehen zu lassen.“ Bei der Einbringung des Entwurfs bemerkt der Ju-
stizminister Dr. Glaser über die Tendenz desselben: „Von dem Augenblicke
an, wo die Ueberzeugung sich Bahn bricht, daß die Jury von politischen Mo-
tiven geleitet wird, daß der Geschworene sich berufen fühlt, Ausdruck zu geben
seinen politischen, nationalen und confessionellen Ueberzeugungen, wenn somit
sich der Wahn Bahn bricht, daß er ein Verräther an dieser Ueberzeugung
wird, wenn er nicht als unwahr erklärt, was er als wahr erkennt — dann
treten Zustände ein, welche nur dahin führen können, daß das Gesetz durch
die Geschwornengerichte niedergebracht wird. Pflicht der Regierung ist es, jene