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GOesterreich-Angarn.
äußersten Linken, das Zustandekommen des Gesetzes in der Special-
debatte durch Reden verhindern zu wollen. Nach der Geschäftsord-
nung des Hauses ist die Majorität nicht berechtigt, den Schluß der
Debatte zu beschließen. Beginn eines parlamentarischen Skandals ohne
Gleichen.
8. März. Die beiden Ministerien, das trans= und das cisleithanische, sind
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darüber einig, den von der französischen Regierung verlangten Abän-
derungen des österr.-franz. Handelsvertrags ihre Zustimmung zu ver-
sagen.
„ (Ungarn.) Unterhaus: Wahlreformfrage: Fortgang des parla-
mentarischen Scandals.
Die Generaldebatte hatte am 5. März mit Annahme des Entwurfes als
Grundlage für die Specialdebatte geschlossen. Mittlerweile hatten 32 „Acht-
undvierziger" durch Ehrenwort und Unterschrift sich verpflichtet, um jeden
Preis die Einführung des Gesetzes zu verhindern und — da es kein anderes
Mittel gab — in der Specialdebatte es todtzureden. Vor der Specialdebatte
kamen aber noch zwei selbstständige Anträge der Commission zur Verhand-
lung; dieselben verlangten von der Regierung, sie möge ein Gesetz Üüber die
Incompacibilität eines Abgeordnetenmandates mit einem von der Regierung
abhängigen Beamtenposten „sogleich" und ein Gesetz zur Verhütung von Wahl-
excessen „wo möglich“ noch in dieser Saison einbringen. Im Principe wurden
auch diese Anträge und zwar einstimmig angenommen, doch verlangte L. Si-
monyi, daß auch der letztgenannte Gesetzesentwurf sogleich vorgelegt, behandelt
und daß sodann alle drei Gesetze unter Einem zur Sanction gebracht werden
sollten. Nicht weniger denn zwölf Parteigenossen unterstützten diesen Antrag
in langathmigen Reden, wobei es zu gegenseitigen Incriminationen kam.
Helfy kündigte gereizt den Beschluß seiner Partei jetzt öffentlich an und Csa-
nady nannte die Deakisten insgesammt „Betrüger", den Minister Toth „ehr-
los“. Unter endlosem Lärm, Gestampfe und Getöfe schloß der Präfident diese
Versammlung; die „Linke“ hatte sich bisher passiv verhalten. Am folgenden
Morgen (6. März) brachte das „Pester Journal“ die Nachricht, die Deak-
Partei beabsichtige als Gegendemonstration gegen die am 10. März hier statl-
findende Landesconferenz der Linken ihrem Führer Deak einen solennen Fackel-
zug zu bringen; der Deakclub selbst hatte sich geeinigt, die Taktik der Oppo-
sition durch Permanenz-Erklärung des Hauses zu paralysiren. In der Sitzung
vom 6. März brachte auch die Regierung die beiden verlangten Gesetzesentwürfe
schon ein. Am folgenden Nachmittag sollte um 4 Uhr das Leichenbegängniß
des Abgeordneten Gouda von der äußersten Linken statifinden und Csanady
beantragte deßhalb, die Sitzung am 7. schon um 2 Uhr zu schließen. Da-
gegen verlangte Lonyay, daß sodann auch um 5 Uhr Abends eine Sitzung
stattfinden solle. Die Linke bekämpfte diesen Antrag in langen Reden, verlangte
dann namentliche Abstimmung und, als diese abgelehnt wurde, namentliche
Abstimmung darüber, ob namentliche Abstimmung zu erfolgen habe. Der
Antrag Lonyay's wurde natürlich angenommen, und es wurde nun die am
vorigen Tage abgebrochene Debatte fortgesetzt. Die Linke verlangte wieder
namentliche Abstimmung und begann von Neuem ein unerträgliches langwie-
riges Zungengeklapper. Auch diese Sitzung blieb resultatlos und ging unter
großem Lärm auseinander. Inzwischen hatte die Nachricht des „Pester Journal“
die Constituirung mehrerer Comité's zur Folge gehabt, welche ihrerseits Fackel-
züge für Tisza, Ghiczy 2c. arrangiren wollten; der Kampf im Parlamente
sand sonach in der Stadtbevölkerung Wiederhall. Ueber einstimmiges Verdict
des Deakclubs mußte zudem Toth seinen letzten kaum eingebrachten Gesetzes-
entwurf zurückziehen und andererseits schloß sich die gemäßigte Linke nun voll-