Gesterreich-Angarn. 263
daß die anerkannt verwirrten Wahlverhältnisse in Siebenbürgen durch die vor-
gelegte Novelle nicht geordnet werden. Was den Census betrifft, so verlangt
zwar die äußerste Linke nahezu das allgemeine Stimmrecht (einige Teußerste
auch das Stimmrecht der Frauen);: das linke Centrum würde sich ledoch mit
einer Herabselung des Cenfus um einen Gulden begnügen, damit die Ver-
hältnisse bleiben, wie sie dermalen bestehen. Tisza hat auch in einem Antrag
bei Gelegenheit der Generaldebatte bloß die Zurückziehung des Gesetzentwurfs
von Seiten der Regierung verlangt, um ein besseres Gesetz auf Grund voll-
ständiger statistischer Daten zu verfassen — eigentlich für jetzt sich also für die
Fortdauer des 1848er Wahlgesetzes ausgesprochen. Siebenbürgen scheint haupt-
sächlich der Stein des Anstoßes zu sein. Die Abgeordneten aus Siebenbürgen
gehören zum allergrößten Theil der Deak-Partei an, und die Linke war bei
den letzten siebenbürgischen Wahlen fast allenthalben geschlagen worden. Nun
ist die Vertheilung der Wahlbezirke in Siebenbürgen sehr ungleich (eine Stadt
mit 3000 Einwohnern wählt z. B. zwei Abgeordnete, ein ganzes Comitat
hingegen nur eineng Der Census im Verhältniß zu Ungarn ist zu hoch, die
Bestimmung der Wahlsähigkeit ganz den der Regierung ergebenen Municipal=
beamten Überlassen, die einen um so größeren Einfluß besitzen, als dort nicht,
wie in Ungarn, engere Wahlbezirke bestehen, sondern die Municipien selbst die
Abgeordneten wählen. Die Linke hat also nicht Unrecht, wenn sie verlangt,
daß die Verhälinisse in Siebenbürgen geordnet werden; nebenbei hofft sie auch
in Folge dieser Ordnung einige Sitze zu erlangen. Die Deak-Partei hin-
gegen, die in Siebenbürgen ihre Hauptstütze findet, will an den beslehenden
Verhällnissen nichts geändert wissen; daher die heftige Opposition gegen das
neue Wahlgesetz von der einen, die hartnäckige Verthcidigung desselben von
der andern Seite. Die Linke begreift, daß der neue Entwurf in Folge der
geänderten Bestimmungen im eigentlichen Ungarn und der nicht geänderten
Bestimmungen in Siebenbürgen ihr nachtheilig, ja gefährlich sei, und im
Hintergrunde des Wahlgesetzes lauert Überdieß der Entwurf über die Verlän-
gerung der Mandatsdauer auf fünf Jahre, eine Maßregel, die, im Verein
mit dem neuen Wahlgesetz, selbst die Existenz der Linken zu gefährden im
Stande wäre. Wird aber die Wahlhgesetnovelle verhindert, dann kommt der
Entwurf über das fünfjährige Mandat gar nicht zur Verhandlung.
15. März. (Oesterreich.) Reichsrath, Abg.-Haus: genehmigt die von der
18.
19.
Regierung geforderte halbe Million Gulden behufs Unterstützung der
vielfach ganz elend besoldeten niedern Geistlichkeit.
„ (Oesterreich.) Reichsrath, Abg.-Haus: Der Verfassungsausschuß
nimmt den von Seite der Regierung befürworteten Antrag des Sub-
comité's für den galizischen Ausgleich, wonach die Art der Beschickung
des Reichsraths durch Galizien erst gelegentlich der Wahlreform des
Reichsraths festgestellt werden soll, mit 15 gegen 12 (worunter sämmt-
liche polnische) Stimmen an. Damit ist der Antrag Giskra betr. die
Gleichzeitigkeit der Einführung direkter Reichsrathswahlen und des ga-
lizischen Ausgleichs abgelehnt. Bezüglich des finanziellen Verhältnisses
zwischen Galizien und dem Reiche soll nach dem von Rechbauer ge-
stellten und vom Ministerium befürworteten Antrage eine fünfjährige
Revision stattfinden. Damit ist die galizische Frage im Verfassungs-
ausschusse erledigt.
„ (Oesterreich.) Reichsrath, Abg.-Haus: beschließt ohne Debatte
auf den Antrag des Ausschusses bez. der zahlreich eingegangenen Pe-
titionen wider den Mißbrauch der Kanzel: