266
Gesterreich-Ungarn.
seien jetzt der Willkür der weltlichen Schulbehörden preisgegeben. Gotiesfurcht
und Gewissenhaftigkeit verschwinden. Angesichts solcher Zustände müssen die
confessionellen Schulen wieder in ihre Rechte eingesetzt werden. Die Klagen
über Irreligiosität der Schule werden nun folgendermaßen fortgesctzt: „Es
mehrt sich die Zahl der Lehrer, welche ihre Stellung mißbrauchen, um für
den Unglauben und die Verachtung der Religion Propaganda zu machen; es
mehrt sich die Zahl solcher, welche diesen Frevel an der Jugend mit steigender
Frechheit begehen.“ Es wird als unzulässig bezeichnet, daß in katholischen
Ländern Protestanten und Juden als Lehrer angestellt werden, und die Re-
gierung solle erklären, daß nichtkatholische und jüdische Lehrer an katholischen
Schulen nicht angestellt werden dürfen. Ferner wird als durchaus unzulässig
bezeichnet, daß in ganz oder vorwiegend katholischen Schulen Lehr= und Lese-
bücher gebraucht werden, aus welchen jede Erinnerung an die Lehren und Ein-
richtungen der kath. Kirche und selbst an das Christenthum jorgfältig ausgemerzt
ist, und auch in dieser Beziehung Abhilfe von der Regierung verlangt. In
Betreff der religiösen Uebungen werden folgende Sätze aufgestellt; Die Leiter
der Schule haben Sorge zu tragen, daß die Schuljugend a) an den festgesetzten
Tagen zur Prüfung (nämlich Religions-Prüfung) erscheine, und zwar in der
Kirche oder auch in der Schule, je nachdem der Bischof es anordnet; b) der
weltlichen Schulaufsicht steht es nicht zu, bei dem Religions-Unterrichte zum
Zwecke der Beaufsichtigung desselben anwesend zu sein; c) wenn die Regierung
es für nothwendig erachtet, den Religionslehrer von einer Staatsanstalt zu
entfernen, so muß sie sich gegenwärtig halten, daß er die Ermächtigung zur Glau-
bens. und Sittenlehre nicht von der Staatsgewalt, sondern von seinem Bi-
schofe empfangen hat, und muß sich daher mit diesem in's Einvernehmen setzen.
Indessen ist die Behörde befugt, ihm, was er von ihr empfangen hat, nämlich
Slimme im Lehrkörper und den Gehalt, zu entziehen, aber von der Wirk-
samkeit als Religionslehrer hat die Schulbehörde den Seelsorgepriester, der
an den Volksschulen Religion lehrt, nicht auszuschließen; sie wende sich, wenn
sie dieß thun will, an den Bischof. Als das kleinste Maß der für die Schüler
einzuhaltenden Religions-Uebungen wird bezeichnet: 1) Die Schuljugend hat
täglich bei der heiligen Messe zu sein. Nach gegebenen Umständen werden die
Bischöfe auf Ausnahmen von der Regel eingehen. 2) Das Gebet vor und
nach der Schule. 3) Viermal im Jahre das heilige Buß= und Altarssakra-
ment. 4) Die Theilnahme an der Frohnleichnams= und Markus-Prozession
und an den drei Bitt-Tagen. Die heftigsten Klagen richten sich aber gegen
die Lehrer-Bildungsanstalten. Ueber dieselben wird gesagt: Man hält sich an
eine Lehre und Pädagogik, welche den höhern Ursprung des Menschen ver-
läugnet. Die Gebete verschwinden. Mehrere der größten und wichtigsten Lehrer-
Bildungsanstalten stehen mit der Ansicht der Regierung, daß die Lehrer Re-
ligion haben sollen, in grellem Widerspruche; sie sind so beschaffen, als wäre
es darauf angelegt, den Lehramts-Candidaten den katholischen Glauben zu
rauben. Lehrbücher, welche die Geschichte zu Gunsten des Protestantismus
und der Aufklärerei fälschen, zielen darauf ab, die katholische Kirche zu einem
Zerrbilde zu machen, die göttliche Offenbarung in das Reich der Mythen zu
verweisen. Allerdings wird die Erziehungslehre bis jetzt noch nirgends vom
Standpunkte des erklärten Materialismus vorgetragen, aber von dem eines
verschwommenen Deismus; die Wichtigkeit der Naturwissenschaften wird mit
einer für liberal geltenden Uebertreibung angepriesen und dabei ganz deutlich
gesagt: Gott und die menschliche Seele gehören dem Reiche der Dichtung an.
Der theoretische und praktische Materialismus ist gegenwärtig die schlimmste
Seuche der Geisterwelt. An manchen Orten werden die Lehramts-Candidaten
zu keinen Religions-Uebungen verhalten. Hie und da sind von den Uebungs-
schulen die Andachtsübungen ausgeschlossen. Dieses kennzeichne den Geist, in
welchem solche Anstalten geleitet werden. Auch über die Presse wird geklagt
und namentlich über die Lehrertage, wo „Diesterweg und seine Epigonen das