Full text: Europäischer Geschichtskalender. Dreizehnter Jahrgang. 1872. (13)

Oesterrtich-Ungarn. 267 
große Wort führen". Hier geschehe Alles, was geschehen kann, um den Lehrer 
der Religion und seinem Berufe zu entfremden. Er hört hier verkünden, daß 
der Lehrerstand die Sendung habe, durch die „rechte Jugendbildung" dem 
Christenthum ein Ende zu machen und es als eine Forderung aufstellen, der 
von Gott abgefallenen Vernunft die Bahn zu ebnen. Die Besoldung, welche 
ein solcher Welten-Erneuerer anzusprechen hat, soll der Größe seines Berufes 
entsprechen. Aber von der Zufriedenheit mit dem ihm beschiedenen Lohne ist 
jetzt keine Rede mehr. Um eine solche Versammlung besuchen zu können, er- 
halten die Lehrer, wie mit Bedauern constatirt wird, Urlaub, manchmal auch 
Geldunterstützung!“ „So stehen die Dinge“, schließt die Eingabe, „und wenn 
wir Abhilfe heischen, so sind es nicht die Interessen der Kirche allein, für die 
wir unsere Stimme erheben.“ 
5. Mai. (Oesterreich: Böhmen.) Landtag; Wahlen in den Reichsrath: 
7. 
16. 
von 54 Gewählten gehören 40 der verfassungstreuen Partei an. 
„ (Ungarn.) Wahlagitation: Die Slovaken, Serben und Rumänen 
schließen sich in ihren Versammlungen zu S. Marton, Großbekskered 
und Arad der Linken an. 
„ (Oesterreich.) Wiederzusammentritt des Reichstags. Die Re- 
gierung kann nunmehr in demselben für die Wahlreform auf eine 
Zweidrittel-Majorität zählen. 
„ (Ungarn.) Reise des Kaisers in das Banat. Die h. Pforte 
begrüßt ihn bei dieser Gelegenheit, Serbien dagegen auffallender Weise 
nicht. 
„ (Oesterreich.) Reichsrath, Abg.-Haus: genehmigt in dritter Le- 
sung einen Gesetzesentwurf betr. den Religionsunterricht an den Volks- 
und Mittelschulen. Interpellation Rechbauer. Antwort des Cultministers 
über das Verhältniß zu den Bischöfen. 
Rechbauer und mehrere andere Redner nehmen von dem Gesetzesentwurf 
Veranlassung, auf die Haltung hinzuweisen, die der Cultminister seit einiger 
Zeit in religiösen Fragen beobachte, eine Haltung, die bereits in weiteren 
Kreisen Anlaß zu Besorgnissen gegeben hätte. Der Cultminister ergreift das 
Wort zu seiner Rechtfertigung und bemerkt: „Es ist zwar nicht ausdrücklich, 
aber doch mit ziemlich bestimmten Hinweisen angedeutet worden, daß die Re- 
gierung sich bereits auf einer abschüssigen Bahn befinde (Rufe links: Ja), 
nicht blos deßhalb, weil sie ihr wiederholt gegebenes Versprechen nicht durch 
die sofortige Einbringung der Vorlagen hinsichtlich der confessionellen Ange- 
legenheiten gelöst habe, sondern auch — und das wurde nicht blos im Hause, 
sondern auch in den öffentlichen Blättern angedeutet — wegen der bekanntlich 
in letzter Zeit stattgehabten Conferenzen der Bischöfe. Ich bin in der Lage, 
in dieser Beziehung eine bestimmte Erklärung abzugeben, die Erklärung näm- 
lich, daß ich mit den Mitgliedern der ohne Zuthun der Regierung zusammen- 
getretenen Conferenz der Bischöfe keine Verhandlung gepflogen, auch nicht An- 
laß genommen habe, mich mit denselben in Verkehr zu setzen, daher um so 
weniger eine Zusicherung gegeben oder irgend welche Concession gemacht habe. 
Wohl habe ich in den letzten Tagen Eingaben erhalten, welche von der Mehr- 
zahl der österreichischen Bischöfe gefertigt waren, und worin insbesondere hin- 
sichtlich des Religionsunterrichtes an den Schulen und Lehrerbildungsanstalten, 
hinsichtlich des Religionsbekenntnisses der Lehrer, hinsichtlich der behaupteten 
Verbreitung des Unglaubens in der Schule und der Wehrpflicht des geistlichen 
Standes specielle Bitten ausgesprochen waren; aber ich kann mit Befriedigung 
constatiren, daß diese Eingaben im Vergleiche mit früheren, meist nicht un- 
  
 
	        
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