Full text: Europäischer Geschichtskalender. Dreizehnter Jahrgang. 1872. (13)

Oesterreich-Angarn. 281 
als militärische Gründe dafür besitze, die vom Kriegsminister geforderte Er- 
höhung des Friedenstandes zur Annahme zu empfehlen. Darauf wird die 
Erhöhung des Friedensstandes mit Majorität angenommen. Nachdem damit 
der Kriegsminister seine hauptsächlichste Budgetpost gesichert hatte, läßt er sich 
zu Zusagen herbei. Für die Bewilligung der geforderten Millionen dankend, 
setzt er nachdrücklich auseinander, wie nothwendig und ersprießlich diese Er- 
höhung des Friedensstandes sei und daß mit derselben die seit Jahren in 
Ausführung begriffene Armee-Organisation den Abschluß finde. Das jetzt 
vorgelegte ordentliche Budget könne für Friedenszeiten als Normalbudget be- 
trachtet werden. Preiserhöhungen und Vertheuerungen der Lebensmittel aus- 
genommen, sei das jetzige Budget so zusammengestellt, daß das Kriegsmini- 
sterium mit demselben sein Auskommen finden könne. Selbstverständlich ruft 
diese freiwillige Erklärung Befriedigung hervor. Auf Antrag eines elwas 
mißtrauischen Mitgliedes der Delegation wird sie indeß doch sogleich vollinhalt- 
lich zu Protokoll gebracht.“ 
3. Oct. Oesterreichische Delegation: bewilligt den Dispositionsfond von 
440,000 fl., auf den Graf Beust s. Z. verzichtet hatte, den nun 
aber Graf Andrassy wieder fordert, ungeschmälert. 
8.— 9. Oct. (Oesterreich.) Congreß der föderalistischen Partei in Wien. 
Dieselbe einigt sich über folgendes Programm: 
„Die Rechtspartei, wie sie sich nennt, tritt ein in staatsrechtlicher 
Hinsicht: I. Für die Aufrechterhaltung der Einheit und Untheilbarkeit der 
Monarchie unter dem angestammten allerhöchst regierenden Herrscherhause auf 
Grund der pragmatischen Sanction; II. für die Aufrechterhaltung der Selbst- 
ständigkeit, geschichtlichen Eigenberechtigung und Integrität aller einzelnen 
Königreiche und Länder des Reiches; III. in organischer Fortentwickelung dieser 
beiden Thatsachen für Ordnung des öffentlichen Rechtes in Land- und Reichs- 
verfassung auf christlicher Grundlage. Zur Erreichung dieses Zieles hält sie 
für nothwendig die Anerkennung und Durchführung folgender Grundsätze: 
1. Das Landesrecht kann anders nicht abgeändert werden, als von dem recht- 
mäßigen Landtage mit Zustimmung des Monarchen; 2. das Recht der Legis- 
lative steht virtuel dem Lande, beziehungsweise dem Landtage im Vereine mit 
dem Monarchen zu; 3. die Legislation über jene Angelegenheiten, welche ihrer 
Natur nach als gemeinsam erkannt werden, wird an eine Versammlung von 
Deputirten der Landtage abgetreten. In allen nicht als gemeinsam erklärten 
Angelegenheiten wird die Gesetzgebung durch den Landtag im Vereine mit dem 
Monarchen geübt. Den Landtagen bleibt es vorbehalten, falls ein weiteres 
Bedürfniß nach Vereinbarung in der Gesetzgebung unter allen oder einigen 
Ländern anerkannt wird, damit jene unter Wahrung der Selbstbestimmung jedes 
Landes zu betrauen. 4. Die Administration ist rücksichtlich der gemeinsamen 
Angelegenheiten einem Ministerium Übertragen, dessen Wirkungskreis jedoch sich 
nicht Üüber den Bereich derselben hinaus erstrecken kann. Die Administration 
aller nicht als gemeinsam erklärten Angelegenheiten wird durch eine im Rathe 
der Krone vertretene Landesregierung besorgt. Das Ministerium ist für die 
Verwaltung der gemeinsamen Angelegenheiten der Deputirten-Versammlung, 
die Landesregierung aber für die Verwaltung der nicht gemeinsamen Ange- 
legenheiten dem Landtage verantwortlich. 5. Die diesen Grundsätzen entspre- 
chende Stellung jedes Landes zum Monarchen und zu den übrigen König- 
reichen und Ländern wird durch ein zwischen dem betreffenden Landtage und 
der Krone zu vereinbarendes Landesgrundgesetz geregelt. 6. Es sind den Ver- 
hältnissen und Bedürfnissen der Länder wirklich entsprechende Wahlordnungen 
mit gerechter Ausdehnung des Wahlrechts und mit möglichster Erleichterung 
der Auslbung desselben herzustellen. Ueber die Schulfrage: Die Gesetz-
	        
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