Full text: Europäischer Geschichtskalender. Dreizehnter Jahrgang. 1872. (13)

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Spanien. 
Regierung halb und halb gemachte Zusage und weigert sich, ein De- 
kret zu unterzeichnen, das Serrano eine Art Diktatur übertragen hätte. 
Das ganze Cabinet gibt seine Entlassung, die auch ohne Zaudern an- 
genommen wird. Die Cortes setzen ihre Sitzungen vorerst aus, bis 
ein neues Ministerium gebildet sei. Zorilla, der sich auf sein Land- 
gut bei Tablado zurückgezogen hat, wird telegraphisch nach der Haupt- 
stadt berufen. 
13. Juni. General Fernandez de Cordova bildet ein neues Ministerium 
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aus den Reihen der radicalen Partei, zu dessen Präsidenten Zorilla 
designirt ist, wenn er dazu bewogen werden könne. 
Die nächste und größte Schwierigkeit für das neue Cabinet liegt darin, 
daß nicht auch gleichzeitig die Cortes, die in Folge der Beeinflussung der 
Wahlen durch Sagasta in ihrer entschiedenen Mehrheit aus Sagastinern und 
Unionisten besteht, aufgelöst werden können, da die Verfassung dieß erst vier 
Monate nach ihrem Zusammentritt gestattet, die jetzigen Corles aber erst am 
22. April eröffnet wurden. 
„ Die Cortes treten wieder zu einer Sitzung zusammen, aber nur 
um die Ernennung des neuen Ministeriums zu vernehmen und ein 
Dekret entgegenzunehmen, das sie auf unbestimmte Zeit vertagt, wo- 
durch die Unmöglichkeit der Regierung, mit einer ihr feindlichen Ma- 
jbrität zu regieren, umgangen wird, bis die Cortes aufgelöst werden 
können. 
„ Zorilla kommt in Madrid an und läßt sich doch bewegen, das 
Ministerpräsidium wieder anzunehmen. 
Die bisherige Majorität der Cortes, 194 Abgeordnete und 46 
Senatoren erlassen eine Erklärung, durch welche die Auflösung der 
Cortes wo möglich noch abgewendet werden soll: 
„Die Senatoren und Abgeordneten, welche die parlamentarische Mehrheit 
in den beiden Kammern bilden, bedauern in tiefster Ehrfurcht den Gebrauch, 
den Se. Maj. der König von seinen konstitutionellen Prärogativen machen zu 
müssen glaubte, indem er ein neues Cabinet ernannte und die Session der 
gegenwärtigen Cortes suspendirte. Dieselben fühlen sich in Erfüllung ihrer 
hohen politischen Pflichten gedrungen, zu erklären, daß das Ministerium eine 
schwere Verantwortlichkeit auf sich genommen hat, indem es der Krone rieth, 
die Session der Cortes in einem Augenblicke zu fuspendiren, wo deren Bei- 
stand so besonders nöthig schien zur Lösung der verschiedenen schwebenden Fragen 
hinsichtlich der Finanzen, der Herstellung der öffentlichen Ruhe, der Stellver- 
tretung in der Armee und der ökonomischen Lage Cuda's. Dieselben halten 
sich nach reiflicher Erwägung aller dieser Punkte für verpflichtet, ihre mit 
Bezug darauf gefaßten Beschlüsse zur Kenntniß der Oeffentlichkeit zu bringen, 
damit Niemand den Verdacht hegen könne, daß die Mehrheiten der beiden ge- 
setzgebenden Körperschaften der Regierung, wer immer sie bilde, Hindernisse in 
denjenigen Fragen in den Weg legen wollten, welche, Über den Parteien stehend, 
das ganze Land direkt interessiren. Damit die Regierung zur gesetzlichen Er- 
hebung der von den Cortes zu bewilligenden Steuern schreiten, damit sie das 
Gesetz Üüber die Stärke der Armee zur Ausführung bringen und die schwierige 
Frage der ökonomischen Lage der Insel Cuba befriedigend lösen könne, erklären 
die Unterzeichneten, als aufrichtige Anhänger der bestehenden Ordnung der 
Dinge, daß sie in allen diesen Fragen bereit sind, die Regierung kräftig zu 
unterstlten. Wenn das verantwortliche Ministerium dieses patriotische Aner-