Full text: Europäischer Geschichtskalender. Dreizehnter Jahrgang. 1872. (13)

338 England. 
aus dem man irgendwie annehmen oder folgern könne, daß er irgend welche 
in der amerikanischen Rechtsdarstellung niedergelegte Ansprüche von der Rechts- 
zuständigkeit des Gerichtshofes zurlickziehe“. General Grant beharre vielmehr 
darauf, daß der Gerichtshof volle Frciheit habe, „über alle vorgebrachten An- 
sprüche ein Erkenntniß abzugeben“. Selbst der von Granville vorgeschlagene 
Zusatz-Artikel — und das ist das Merkwürdigste an der ganzen Unterhand- 
lung — läßt über den angedeuteten Streitpunkt ein sonderbares Dunkel. In 
dem Zusatz-Artikel wird gesagt, England beharre auf der einen, Amerika auf 
der andern Rechtsanschauung, was die Auslegung des Washingtoner Vertrages 
betrifft. Amerika huldige ferner, nach wie vor, dem Grundsatze, daß Ansprüche 
für mittelbare Beschädigungen rechtlich erhoben werden könnten. Amerika wolle 
jedoch „für die Zukunft“ von solchen Ansprüchen gegenüber England abstehen, 
unter der Bedingung, daß England gegenlüber Amerika in ähnlichem Falle 
dasselbe thue. Daß aber Amerika in Gemeinschaft mit England das Schieds- 
gericht anweisen wolle, über die Rechtsfrage (von Geldentschädigungen abgesehen) 
kein Urtheil abzugeben, davon steht auch im Zusatz-Artikel nichts, obwohl 
durch diesen allen ferneren Streitigkeiten ein Ende gemacht werden sollte. Gleich- 
wohl hat der Senat auch noch an diesem so unvollkommen gefaßten Zusatz- 
Artikel Aenderungen gemacht, welche die englische Regierung nicht annehmen zu 
können glaubte. Die amerikanische Regierung, durch den Senat gebunden, 
glaubt ihrerseits, in Zugeständnissen nicht weiter- gehen zu dürfen. 
4.—6. Juni. Oberhaus: Debatte über den Antrag Lord Nussel's auf 
Sistirung der Arbeiten des Genfer Schiedsgerichts. Der amerikanische 
Gesandte erklärt in einem Briefe an Lord Granville, daß, wenn der 
englische Zusatzartikel von der nordamerikanischen Union angenommen 
würde, die indirekten Ansprüche allerdings und für immer beseitigt 
wären. Obgleich nun die dießfälligen Unterhandlungen noch schweben 
und der Zusatzartikel noch nicht vereinbart ist, so erklärt Lord Russel 
doch, seine Motion einstweilen zurückziehen zu wollen. 
10. Juni. Die englische Regierung hat die Hoffnung aufgegeben, sich noch 
rechtzeitig (vor dem 15. d.) mit der Unionsregierung über den Zusatz- 
Artikel zum Washingtoner Vertrage verständigen zu können, und deß- 
halb an die letztere das Verlangen gestellt, am 15. d. M. in Genf 
gemeinsam den Antrag zu stellen, das Schiedsgericht möge sich auf 
8 Monate vertagen. Amerika ist indeß darauf nicht eingegangen, in- 
dem es erklärt, 
seiner Ansicht nach könne die Frist in dieser Weise nur durch einen neuen 
Vertrag verlängert werden; wenn jedoch die Schiedsrichter auf das einseitige 
Ansuchen Englands hin in die Vertagung einwilligten, so habe Amerika nichts 
dagegen einzuwenden. Nur an dem Gesuch betheiligen will sich Amerika nicht. 
15.—20, Juni. Das Genfer Schiedsgericht weigert sich entschieden, auf 
eine Vertagung bis zum Frühjahr einzugehen, und beschließt, die in- 
direkten Ansprüche der Verein. Staaten in der Alabamafrage zurückzu- 
weisen, mit der Erklärung, daß dieselben zurückgewiesen worden wären, 
auch wenn sich keine Meinungsverschiedenheit betreffs derselben zwischen 
den beiden Regierungen ergeben hätte. Der Vertreter Amerika's wird 
telegraphisch angewiesen, sich damit einverstanden zu erklären. Schluß- 
rede des Vorsitzenden des Schiedsgerichts, Grafen Sclopis, über die 
Situation. Vertagung des Schiedsgerichts bis zum 15. Juli.
	        
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