England. 339
Die Schiedsrichter verpflichten sich vor allem durch feierlichen Hand-
schlag, UÜber die Vorkommnisse in den bevorstehenden Sitzungen nichts in die
Oeffentlichkeit zu bringen. Die erste Frage hierauf ist die von England an-
geregte Frage einer Vertagung bis zum Frühjahre. Diese Verschiebung der
Angelegenheit hälte nicht nur der Sache selbst geschadet und die diplomatische
Polemik, die mit der Zeit einen immer bilterern Ton annimmt, in's Unend-
liche verzogen, sie hätte auch den Grundsatz der friedlichen Schlichtung inter-
nationaler Wirren, dessen erste Anwendung im Großen eben in Genf versucht
werden soll, bedeutend discreditirt. Daher wollen die Schiedsrichter sich durch-
aus zu keiner ferneren Verschiebung verständigen und erklären, ehe die Sitz-
ungen eröffnet werden, den Vertretern der streitenden Parteien, sie würden
lieber darauf verzichten, ihr Amt auszullben, als sich durch eine Verschiebung
vor der ganzen Welt eine Blöße zu geben. Diese kategorische Erklärung hat
zur Folge, daß England auf die Vertagung verzichtet, wenn auch vorerst noch
nicht formell. Dagegen will Amerika ebenso darein willigen, die Forderungen
in Betreff der indirekten Schäden zurückzunehmen oder vielmehr sich dem Ent-
scheide des Gerichtshofes in dieser Hinsicht zu unterwerfen. Das Schiedsgericht
entscheidet in diesem Sinne. Präs. Graf Scolpis verliest folgende Erklärung:
„In Folge des Gesuches, welches der Vevollmächtigte der k. brittischen Re-
gierung an die Schiedsrichter gerichtet hat, macht der Präsident des Tribunals
im Namen der Schiedsrichter folgende Mittheilung. Die Schiedsrichter schicken
voran, daß sie bei den Bemerkungen, welche sie zu machen im Begriffe find,
nur den ihnen vorliegenden Antrag des brittischen Bevollmächtigten auf Ver-
tagung bis nöthigenfalls zum Monat Februar des nächsten Jahres, sowie die
Gründe dieses Gesuches — nämlich die Meinungsverschiedenheit zwischen der
k. brittischen Regierung und der Regierung der Vereinigten Staaten über die
aus dem Washingtoner Vertrage hervorgehende Competenz des Tribunals in
Bezug auf die in der Prozeßschrift der Vereinigten Staaten aufgestellten For-
derungen wegen erlittener Verluste unter den verschiedenen Titeln: 1) Verluste
bei der Uebertragung des amerikanischen Handels an die brittische Flagge,
2) erhöhte Versicherungsprämien, 3) Verlängerung des Krieges und Vermeh-
rung der Ausgaben für den Krieg und die Unterdrückung des Aufstandes —
und ferner die von Ihrer Majestät Regierung gehegte Hoffnung, daß sich bei
hinreichender Zeit eine Lösung der so entstandenen Schwierigkeiten durch den
Abschluß eines Zusatzvertrages zwischen den beiden Regierungen finden lassen
würde, im Auge haben. Die Schiedsrichter haben nicht die Absicht, eine Mei-
nung über den streitigen Punkt in Betreff der Auslegung oder Tragweite des
Vertrages zu äußern. Es scheint ihnen jedoch auf der Hand zu liegen, daß
der wesentliche Zweck der Vertagung der sein muß, den beiden Regierungen
die Gelegenheit zu einem Beschlusse zu geben, ob die fraglichen Ansprüche der
Entscheidung der Schiedsrichter unterbreitet werden sollen oder nicht, und daß
ferner eine Verschiedenheit der Auffassung zwischen den beiden Regierungen
über diesen Punkt die Vertagung jeder nützlichen Wirkung berauben und nach
einer Verzögerung vieler Monate, während welcher beide Nationen in dem
Zustand peinlicher Spannung bleiben würden, ein Ergebniß zur Folge haben
würde, welches aller Voraussicht nach beiden Regierungen gleich beklagenswerth-
erscheinen müßte, nämlich das völlige Scheitern dieses Schiedsgerichts. Unter
so bewandten Umständen halten die Schiedsrichter es für recht, zu erklären,
daß sie nach sorgsamster Prlfung alles Dessen, was von Seiten der Regierung
der Vereinigten Staaten in Betreff dieser Ansprüche vorgebracht worden, jeder
einzeln und alle insgesammt zu dem Schlusse gekommen sind, daß diese An-
sprüche nach den auf solche Fälle anwendbaren Grundsätzen des Völkerrechtes
keine gute Grundlage für die Zuerkenaung eines Ersatzes oder für eine Scha-
denrechnung zwischen Nationen bilden und nach solchen Grundsätzen von der Be-
rücksichtigung des Tribunals in der Urtheilssprechung gänzlich auszuschließen
wären, wenn nicht zwischen den beiden Regierungen eine Meinungsverschieden-
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