Full text: Europäischer Geschichtskalender. Dreizehnter Jahrgang. 1872. (13)

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England. 
heit über die Competenz des Tribunals in diesem Punkte bestände. In Hinsicht 
auf die Erledigung der Übrigen Ansprüche, gegen deren Erwägung durch das 
Tribunal von Seiten der k. briltischen Regierung kein Einspruch erhoben wor- 
den ist, haben die Schiedsrichter es wünschenswerth erachtet, den Parteien diesen 
Ausdruck ihrer Ansichten über die hier aufgeworfene völkerrechtliche Frage vor- 
zulegen, damit die Regierung der Vereinigten Staaten nach dieser Erklärung 
des Tribunals erwägen möge, ob ein Weg in Bezug auf die obgenannten 
Ansprüche eingeschlagen werden kann, wodurch das Tribunal der Nothwendig- 
keit überhoben würde, über das vorliegende Gesuch der k. brittischen Regierung 
zu entscheiden.“ 
Nach Verlesung dieser Erklärung fragt der Präsident die Bevollmächtigten, 
ob sie eiwas zu bemerken hätten. Lord Tenterden's Antwort ist ein einfaches 
Nein. Davis dagegen bittet um Aufschub, um seine Regierung von der Er- 
klärung in Kenntniß zu setzen und deren Entschließung über dieselbe zu ver- 
nehmen. In der Sitzung vom 25. macht Davis folgende Mittheilung: 
„Die von dem Tribunal einzeln und insgesammt abgegebene Erklärung Über 
die von den Vereinigten Staaten eingereichten Ansprüche Lolgen die oben 
aufgezählten drei Categorien) wird von dem Präsidenten der Verein. Staaten 
als ein bestimmtes Urtheil der Schiedsrichter über die wichtige völkerrechtliche 
Frage angenommen. Der Bevollmächtigte der Vereinigten Staaten ist ermäch- 
tigt, zu sagen, daß die Vereinigten Staaten in Folge dessen nicht mehr auf 
den obgenannten Forderungen vor dem Tribunal bestehen, und daß diese For- 
derungen von der Berücksichtigung bei irgend einem zu fällenden Spruche aus- 
geschlossen werden können.“ Nun ist die Neihe an Lord Tenterden, Instruk- 
tionen einzuholen, nach deren Eintreffen er am 27. erklären kann, daß die 
englische Regierung in der Erklärung der Schiedsrichter nichts finde, dem sie 
nicht nach ihrer bisherigen Auffassung vollkommen zustimmen könnte; daß sie 
ferner, nachdem der amerikanische Bevollmächtigte seine Erklärung abgegeben, 
ihr Vertagungsgesuch zurücknehme und die Prozeßreplik vorzulegen bereit sei, 
unter der Voraussetzung, daß das Tribunal die besagten Ansprüche für aus- 
geschlossen von seiner Berathung erkläre und diese Erklärung in das Protokoll 
der Verhandlungen aufnehme. Letzteres geschieht. Tenterden überreicht seine 
Prozeßreplik unter Zustimmung des Schiedsgerichts und des amerikanischen 
Bevollmächtigten. Graf Sclopis hält darauf einen Vortrag üÜber die Wichtig- 
keit der Funktionen des Tribunals, und hiermit kann das regelmäßige schieds- 
gerichtliche Verfahren als eröffnet angesehen werden. Der Vortrag des Prä- 
sidenten des Schiedsgerichts lautet im Wesentlichen folgendermaßen: 
„In dem Augenblick, wo der Knoten dieser Verwicklungen, welche die Aus- 
fÜhrung des Washingtoner Vertrags zu verhindern drohten, im Begriffe steht, 
durchhauen zu werden; in dem Augenblick, wo unsere Arbeiten im Begriffe 
stehen, ihren freien und regelrechten Gang zu gehen — erlauben Sie mir 
vielleicht, meine Herren und verehrten Herren Collegen, daß ich Ihnen die Ver- 
sicherung gebe, wie sehr ich die hohe Ehre zu schätzen weiß, mit Ihnen in einem 
Tribunal zu sitzen, auf welches die Augen der civilisirten Welt gegenwärtig 
gerichtet sind.. . Das Zusammentreten dieses Tribunals ist an und für sich 
schon ein Zeichen, wie die Ideen, welche die Politik der fortgeschrittensten Na- 
tionen leiten, eine neue Bahn genommen haben. Wir haben ein Zeitalter er- 
reicht, in welchem ein Geist der Mäßigung und ein Gefühl der Gleichheit an- 
fangen, in der erhabenen Sphäre der Politik die Tendenzen einer alten Routine 
zurückzudrängen, die zugleich willkürlich und insolent wmwrr. Es soll ein 
Versuch gemacht werden, die unerbittlichen Principien des Gesetzes auf die auf- 
regenden Fragen der Politik anzuwenden. Die Geschichte der Gegenwart wird 
positiv zeigen, daß selbst in der Hitze der lebhaftesten Vorwürfe die Völker 
beider Länder es niemals versäumt haben, einem Ausgleich, wie er den Freun- 
den von Frieden und Fortschritt annehmbar ist, den Weg offen zu lassen. Trotz 
der unvermeidlichen Länge dieser Unterhandlungen und der Thatsache, daß sie 
  
  
  
 
	        
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