England. 345
darauf berechnet ist, den bestehenden Uebelständen Einhalt zu thun, und welches
ein Tribunal einsetzt, um die Giltigkeit solcher Wahlen zu prüfen. Durch das
schottische Unterrichtsgesetz haben Sie für weitere Ausdehnung und für
größere Wirksamkeit des Unterrichts der Jugend in ganz Schottland gesorgt,
in Uebereinstimmung mit den gewissenhaften und tief wurzelnden Ueberzeug-
ungen des Volkes und mit den Prinecipien religiöser Freiheit.“ Endlich ver-
dient noch am Schlusse der Thronrede die Mahnung Beachtung: „Während ich
Ihnen herzlich zu der Lebhaftigkeit von Handel und Industrie Glück wünsche,
hoffe ich, es wird beherzigt werden, daß Zeiten von ungewöhnlich raschem
Wechsel in den Preisen der Lebensmittel und in dem Werthe der Arbeit auch
Zeiten sind, in welchen die Ausübung von Mäßigung und Vorbedacht mehr
als je geboten erscheint."“
Die öffentliche Meinung ist darüber einig, daß das Ministerium am Schlusse
der Parlamentssession nicht stärker, sondern entschieden schwächer dastehe in
Folge der mehrfachen kleinen Niederlagen, welche es im Laufe der Session er-
litten hat, während auch die dazwischen fallenden einzelnen Nachwahlen zum
Parlament meist für die Regierung ungünstig und zu Gunsten der Trias
ausfielen. Was dem Ministerium glücklich über die Session hinaushalf, ist
die Alabamafrage, welche das Interesse der öffentlichen Meinung von den hei-
mischen Angelegenheiten abzog. Einen Augenblick schien indessen auch diese
Frage dem Ministerium Gladstone gefährlich werden zu sollen. Die Lage
wurde kritisch im Anfang des Juni, als es sich herausstellte, daß selbst der
von Lord Granville auf den Wunsch des Präsidenten Grant vorgeschlagene
Supplementary Treaty die indirekten Entschädigungsansprüche der schiedsrich-
terlichen Competenz nicht entziehe. Der Augenblick schien gekommen, wo Lord
Russel, der lange die Regierung mit einem Mißtrauensvotum im Oberhause
bedroht hatte, seinen Antrag endlich verwirklichen zu müssen glaubte. Am
4. Juni begann daher eine große Debatte im Oberhause, welcher die über dem
Ministerium Gladstone wachende Vorsehung kein Ende zugedacht hatte. Der
gemäßigte Lord Derby fühlte sich gedrungen, zu zweifeln, ob die Amerikaner
nach dem Washingtoner Vertrag und dem von Lord Granville vorgeschlagenen
Amendement nicht das Recht auf ihrer Seite haben. Lord Cairns hielt dieses
Recht sogar mit dem ganzen Gewicht seiner Advokaten-Beredsamkeit aufrecht,
und Lord Salisbury ging so weit, den ganzen Plan der schiedsrichterlichen
Entscheidung zu verdammen, während Lord Rusfsel sich bitter beschwerte, daß
er von den Amerikanern als ein Taschendieb behandelt und beschimpft worden
sei. Die Vertreter der Regierung selbst wußten nichts zu ihrer Vertheidigung
zu sagen: Lord Granville beschwor das Haus, erst das Resultat der Verhand-
lungen abzuwarten und dann das Ministerium zu stürzen. Kurz, es schien,
als wenn nichts eine entscheidende Niederlage der Regierung verhindern könnte.
Aber zwischen Nacht und Morgen legte sich wieder die schon so oft in Nequi-
sition gesetzte Vorsehung in das Mittel. Am 6. Juni, wo die vertagte De-
batte fortgesetzt werden sollte, erschien Lord Granville mit einem Aktenstücke,
in welchem General Schenck im Namen des Staatssekretärs Fish erklärte, daß
es dem Präsidenten nur um den Abschluß des Ergänzungsvertrages zu thun
sei, und daß er im Voraus auf alle indirekten Entschädigungsansprüche ver-
zichte, um dem bestehenden Völkerrecht eine principielle Verbesserung zu sichern.
Der Debatte war somit die eigentliche causa entzogen, und sie unterblieb.
Aber zur elften Stunde erhob sich eine neue, scheinbar unliberwindliche Schwie-
rigkeit. Der amerikanische Senat hatte den Zusatz-Artikel mit Amendements
angenommen, welche dem englischen Gouvernement mit Recht so bedenklich er-
schienen, daß die ganzen Unterhandlungen zum Stillstand gelangten. Der Ver-
trag schien nun wirklich am Ende angekommen zu sein. Nichtsdestoweniger
schickte England seinen Schiedsrichter und seine Agenten rechtzeitig nach Genf,
wo dann die Schiedsrichter „aus eigenem Antriebe"“ erklärten: daß sie indirekte
Entschädigungsforderungen, auch wenn sie zur Vorlage kommen sollten, nicht