Full text: Europäischer Geschichtskalender. Dreizehnter Jahrgang. 1872. (13)

England. 347 
Thatsachen, betreffend den Bau des Schiffes, welches zuerst im Hafen von 
Liverpool als Nr. 290 bezeichnet war, sowie betreffend seine Vemannung und 
Ausrüstung in der Nähe von Terceira, durch Vermittlung der zu diesem 
Zweck aus England entsendeten Schiffe „Agrippina“ und „Bahama" sich klar 
ergibt, daß die englische Regierung hiebei für Erfüllung ihrer Neutralitäts- 
pflicht nicht die nöthige Sorgfalt angewendet hat, daß sie es namentlich unter- 
ließ, trotz officieller Mittheilungen und Reklamationen von Seite der diplo- 
matischen Agenten der Vereinigten Staaten während des Baues des Schiffes 
Nr. 290, zur rechten Zeit entsprechende Präventidmaßregeln zu treffen, und 
daß die Befehle für Beschlagnahme des Schiffes, welche sie schließlich ertheilte, 
so spät erfolgten, daß sie nicht mehr vollzogen werden konnten; Mit Rück- 
sicht darauf, daß die nach dem Auslaufen des Schiffes zu dessen Verfolgung 
und Wegnahme angeordneten Maßregeln so unvollkommen waren, daß sie kein 
Resultat erzielten, weßhalb sie nicht als genügend für die Entlastung Groß- 
britanniens von der auf ihm haftenden Verantwortlichkeit angesehen werden 
können; Mit Rücksicht darauf, daß trotz der mit dem Schiff „290“ von 
England aus begangenen Neutralitätsverletzung das gleiche Schiff, später als 
der conföderirte Kreuzer „Alabama“ bekannt, bei verschiedenen Gelegenheiten 
in den Häfen brittischer Colonien freien Zugang fand, statt daß gegen dasselbe 
in jedem unter brittischer Jurisdiktion stehenden Hafen, wo immer das Schiff 
sich blicken ließ, hätte eingeschritten werden sollen: Mit Rücksicht darauf, 
daß die brittische Regierung den Mangel an der nöthigen Sorgfalt nicht da- 
mit rechtfertigen kann, daß es ihr an legalen Mitteln zum Einschreiten gefehlt 
habe, da sie dieselben besaß: — sind vier Schiedsrichter aus den an- 
gegebenen Gründen und der fünfte mit besonderer Motivirung 
der Ansicht: England habe hier durch Unterlassung gegen die erste und 
dritte der in Art. 6 des Washingtoner Vertrags aufgestellten Regeln gefehlt. 
Mit Rücksicht darauf, das Schiff „Florida“ betreffend, daß aus allen Thal- 
sachen, betreffend den Bau des „Oreto" im Hafen von Liverpool und sein 
Auslaufen, Thatsachen, die trotz der Anzeigen und Reklamationen der Agenten 
der Vereinigten Staaten nicht die Anwendung geeigneter Maßnahmen zum 
Schutz der englischen Neutralität von Seite der englischen Behörden veran- 
laßten, sich ergibt, daß die Regierung Ihrer brittischen Majestät es versäumt 
hat, die nöthige Sorgfalt für die Wahrung der Neutralität anzuwenden; daß 
aus allen Thatsachen bezüglich des Aufenthalts des „Oreto“ in Nassau, des 
Auslaufens aus diesem Hafen, der Werbung von Matrosen, der Verprovian- 
tirung und Ausrüstung durch das englische Schiff „Prince Alsfred“ in Green 
Cai sich auf Seite der brittischen Colonialbehörden Vernachlässigung der Pflicht 
ergibt; daß trotz der Verletzungen der brittischen Neutralität durch den „Oreto“ 
dieses Schiff, selbst als es als conföderirter Kreuzer „Florida“ bekannt war, 
wiederholt freie Aufnahme in englischen Colonialhäfen fand; daß die gericht- 
liche Freisprechung des „Oreto“ in Nassau England von seiner völkerrechtlichen 
Verantwortlichkeit nicht befreien konnte; daß endlich auch die Thatsache des 
Einlaufens der „Florida“ in den conföderirten Hafen von Mobile und ihres 
Verweilens in diesem Hafen während 4 Monaten die Verantwortlichkeit Groß- 
britanniens nicht ausheben kann: ist das Schiedsgericht mit 4 gegen 1 
Stimme der Ansicht, daß Großbritannien durch Unterlassung gegen die Pflichten 
der ersten, zweiten und dritten Regel des Art. 6 des Washingtoner Vertrages 
gefehlt habe. Mit Rücksicht darauf, was das Schiff „Shenandoah“ be- 
trifft, daß aus der Abfahrt des Kauffahrers „Sea-King“ von London und 
aus der Umwandlung dieses Schiffes in einen conföderirten Kreuzer unter dem 
Namen „Shinandoah“ in der Nähe der Insel Madeira sich ergibt, daß von 
daher der brittischen Regierung zwar nicht vorgeworfen werden kann, ihre 
Neutralitätspflichten vernachlässigt zu haben; daß aber aus der Thatsache des 
Aufenthalts des „Shenandoah“ in Melbourne und namentlich aus der, wie 
die brittische Regierung selbst zugibt, in diesem Hafen heimlich vorgenommenen
	        
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