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Trankreich.
JFrrthümer und unsere Fehler; verhehlen wir uns nicht, daß wir jetzt außer
Stand sind, sie wieder gut zu machen; arbeiten wir für die Zukunft durch
die Reform der nationalen Erzichung und der Armee! Der Friede, ja,
ich spreche es muthig aus, der Friede, und nicht die Revanche! Die wahre
Revanche miüsssen wir an uns selber nehmen; die andere wird erst dann kom-
men, wenn wir sie verdient haben werden. (Sehr gut! auf einigen Bänken.)
Der Friede und die Anstrengungen einer ganzen, neuen Generation, vielleicht
mehrerer Generationen, sind nöthig, um dieses große Ziel zu erreichen. Was
die Armee insbesondere betrifft, so lautet mein Programm: persönliche Dienst-
pflicht mit kurzer Frist, aber mit solideren Cadres, als wir bisher je besessen
haben. Damit werden Sie in Frankreich das Ehrgefühl, die Vaterlandsliebe,
den Sinn für das Waffenhandwerk wieder erwecken und die effektive Stärke
der Nation verdreifachen. Arbeit, Wetteifer in der Arbeit werden Gehorsam
und Zucht herstellen, besser als alle Reglements; denn an solchen hat es uns
nie gefehlt. Wenn in dem letzten Krieg Ihre Marinetruppen allein noch Dis-
ciplin besaßen, so kam dieß daher, daß sie gewohnt waren, von früh bis Abends
zu arbeiten. (Sehr gut!) Ferner empfehle ich eine weise Decentralisation; die
Executive muß vom Kriegsminister auf alle Corpscommandanten übergehen;
die provinziellen Gruppen müsssen sich jeden Augenblick selbständig mobil machen
können; dann werden Sie allezeit im Frieden für den, Krieg bereit sein. (Beifall.)
Endlich mögen Sie die Armee in einer strengeren und erhabeneren Erziehung
über die Heiligkeit Ihres Berufes belehren; Sie mögen ihr sagen, daß tapfer
und stark diejenigen Truppen sind, welche arbeiten, gehorchen und zuversichtlich
in das Feld ziehen, nachdem sie sich vor dem Gott der Armeen verneigt
haben. Mit solchem Wirken werden Sie das wahre Genie der französischen
Armee erkannt und das Vaterland gerettet haben! (Lebhafter Beifall.) Oberst
Denfert-Rochoreau (der Vertheidiger von Belfort), nichts weniger als
ein gewandter Redner, und daher häufig unterbrochen und noch öfter durch
die Unruhe des Hauses Übertäubt, bekämpft namentlich das System des „pas-
siven Gehorsams", welches den Soldaten „verdumme" und zum blinden Werk-
zeug aller Staatsstreiche mache. (Sehr gut! links.) Die Disciplin schließe das
selbständige Denken und die individuelle Verantwortlichkeit des Soldaten nicht
aus: die intelligente Initiative jedes einzelnen Gliedes sei der Grund der stau-
nenswerthen Erfolge der deutschen Armee in dem letzten Kriege gewesen. Zum
Belege dessen verliest Redner mehrere Stellen aus den Berichten des Oberst
Stoffel und aus einem Werke des Grafen Moltke, in welchem letztern es heißt:
„Der preußische und Überhaupt der deutsche Soldat bringen, wenn sie unter
die Fahne kommen, mit wenigen Ausnahmen einen Grad von Bildung mit,
der in intellektueller Hinsicht die deutsche Armee über alle andern stellt. Diese
Ueberlegenheit tritt namentlich bei den Unteroffizieren hervor, an welche man
bei uns größere Ansprüche macht und die im Durchschnitt unterrichteter sind,
als die aus dem Unteroffizierscorps hervorgegangenen französischen Offiziere,
da die letzteren nur den schlechten französischen Elementar-Unterricht genossen
haben.“ (Genug! Lärm.) General Changarnier, in zornigem Tone: Ob-
gleich ich während der Belagerung von Belfort keine Casematte dieser Festung
bewohnt habe, glaube ich doch auch etwas von dem Verhältnisse zu verstehen,
welches zwischen dem Soldaten und seinem Vorgesetzten obwalten soll. Der
Vorredner bezieht sich auf Instruktionen des Grafen Moltke; in diesen spricht
aber unser gewandter Gegner nirgends von der Disciplin, die er als etwas
Selbstverständliches voraussetzt. An diese Disciplin kann ein alter Soldat,
wie ich, nicht rühren lassen; entweder der Gehorsam ist ein passiver, oder er
existirt gar nicht. Für den Soldaten ist der Offizier das lebendige Gesetz.
Wenn ich am 2. Dezember widerrechtlich verhaftet worden bin, so mache ich
nicht diejenigen, welche die Arrestation vollzogen haben, sondern den Kriegs-
minister dafür verantwortlich; jene thaten ihre Pflicht, indem sie diesem ge-
horchten. (Lebhafte Zustimmung rechts und im Centrum: Widerspruch links.)