Trankreich. 895
nigen Monaten; von der Armee von Austerlitz hätten zwei Drittheile alle
Feldzüge der Republik und des Consulats mitgemacht und bei Wagram hätte
Oudinot über die „nichtsn#utzigen Buben“ geklagt, die man ihm zugewiesen
hätte, weil ein Theil seiner Grenadiere den letzten Friedens-Contingenten an-
gehörte. Redner entwickelt nun das System der Commission. Die Jahres-
klasse wird sich „bei dem jetzigen Umfange des Landesgebiels“ auf 302 oder
304,000 Mann siellen; davon wird man nach der Berechnung unserer Burcaus
164,000, nach den Anschlägen der Commission nur 150,000 Mann nehmen
können; mag sein, 150.000 in drei Jahren also 450,000 Mann — macht
mit dem genannten Effektiv 570,000 Mann, das ist 110,000 Mann mehr,
als Sie unter den Fahnen behalten wollen und behalten können. Die Com-
mission kann hieran nichts ändern und mußte sich also nach einem Ausweg
umsehen. Sie sagte daher: Nehmen wir lieber die Hälfte von jeder Classe,
75,000 Mann, und dafür fünf Classen; damit erhielte man 472,000 Mann,
also ziemlich genau so viel, wie Sie haben wollen. Ja, wenn Sie 600 Mil-
lionen für das Kriegsbudget hergeben könnten, ich würde sie schon nehmen
und auch zu verwenden wissen. (Heiterkeit.) Für das Kriegs-Effektiv gelangen
wir mit neun Classen zu 1,079,000 Mann und, offen gesagt, das ist voll-
kommen genug, da wir ohne Bundesgenossen uns nie mehr in einen Krieg
stürzen werden und, wenn wir keinen Eroberungskrieg unternehmen, es uns
nie an Bundesgenossen fehlen wird. Der Uebelstand, daß die eine Hälfte fünf
Jahre und die andere nur sechs Monate gedient hat, ist nun einmal nicht zu
umgehen. Darum schließe ich mich der Commission an, ohne Ihnen zu ver-
hehlen, daß meine persönlichen Ideen noch absoluter sind. Eigensinnig sträube
ich mich aber nur dann gegen die Majorität, wenn es mir die Sache selbst
zu erheischen scheint, und solchem Widerstande werden Sie bei mir vielleicht
noch mehr als einmal begegnen. Wo es indeß, wie hier, die Sache selbst ge-
stattet, gebe ich gern nach und empfehle Ihnen aus bester Ueberzeugung, das
Gleiche zu thun. Man täusche sich nicht mit Worten. Sie wissen, welche ver-
derbliche Gewalt das Schlagwort bei uns hat: „Ordnung" (als Aushänge-
schild des Despotismus), „Brüderlichkeit“ (jetzt nennt man es, glaube ich,
„Solidarität“), „Nationalitäten", wie viel Leid haben uns nicht diese Worte
angethan! Hören Sie dagegen das Urtheil einer unbestreitbaren, hier schon
mehrfach angerufenen Autorität, des Marschall Bugeaud. Redner verliest ein
Gutachten dieses Marschalls, welches namentlich darauf Werth legt, eine tüch-
tige aktive Armee zu besitzen, da diese die ersten und im Grunde entscheidend-
sten Schlachten zu liefern habe, und in diesem Sinne eine dreijährige Dienst-
zeit entschieden für unzulänglich erklärt. So trefflichen Worten, schließt Thiers,
habe ich nichts hinzuzufügen. (Anhaltender Beifall und Beglückwünschungen.)
— Erklärung des General Trochu: Als ich nach dem Feldzuge von
Sadowa durch die Unglücksfälle Oesterreichs hindurch die Frankreichs voraus-
sahyh, sagte ich zum Kaiserreich: „Möge Frankreich sich mit seiner höheren Stel-
lung zufrieden geben, den Degen in die Scheide stecken und unter der Beschützung
eines langen Friedens seine militärischen Institutionen einer Reform unterwer-
fen." Auch heute noch sage ich der Übermannten Republik, dem übermannten
Frankreich: Stecket euren Degen ein, erleichtert euer Budget, indem ihr eure
militärischen Ausgaben reducirt. (Lebhafte Sensation; zahlreiche Zeichen der
Mißbilligung.) Die Macht Preußens besteht in seiner niederschmetternden Mo-
bilisation, welche die Provinzial = Organisation gibt. Der Präsident der Re-
publik hat durch seine Worte eine große Verantwortlichkeit vor dem Lande
und der Geschichte auf sich geladen! Die von der Commission angenommene
Dienstzeit ist den großen Interessen zuwider, die ich zu vertheidigen gesucht
habe. (Beifall auf der Linken.) — Die vier Amendements, welche den 3jährigen
Dienst verlangen, werden alsdann mit 462 gegen 228 Stimmen verworfen.
Das Resultat der Abstimmung wird als ein Sieg des Hrn. Thiers be-
trachtet, obgleich seine Stellung der Cabinetsfrage einen ihm sehr ungünstige-