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TFrankreich.
Eindruck gemacht hat und die Aufregung und Mißstimmung eine gewaltige ist,
noch größer als am 19. Januar und die Organe aller Parteien und aller
Nuancen darüber einig sind, daß ein solcher Zustand auf die Dauer unerträg-
lich sei. Die für Hrn. Thiers entscheidende Debatte über die Bestimmungen
des Entwurfs, in welchen derselbe das System der Stellvertretungen (sub-
seitmiiom.) doch wieder in die französische Armee bineinbringen will, steht noch
evor.
12. Juni. Nat.-Versammlung: Fortsetzung der Berathung des Wehrgesetzes:
13.
17.
Bei dem Artikel betr. die Befreiung junger, zum Lehrerstande bestimmter
Leute, welche gewissen Schulen oder dem Unterrichte gewidmeten, durch
Gesetz anerkannten religiösen Genossenschaften angehören, Gambetta be-
kämpft die Befreiung, ausgenommen die der vom Staate bestellten Lehrer.
Unterrichtsminister Jules Simon antwortet, und erklärt sich als un-
bedingter Anhänger der Lehrfreiheit und des obligatorischen Schulbe-
suchs. Der Artikel wird mit 524 gegen 154 Stimmen angenommen.
„ Nat.-Versammlung: Erschreckt durch den Ausfall der letzten Er-
gänzungswahlen zur Nat.-Versammlung berathen die monarchischen
Fractionen über eine gemeinsame Interpellation, betr. die innere Po-
litik der Regierung, lassen den Plan aber wieder fallen und beschließen,
eine Deputation an Hrn. Thiers zu schicken, für welche die Herren
St. Marc Girardin, der General Changarnier und der Herzog von
Audriffet-Pasquier bezeichnet werden.
„ Nat.-Versammlung: Fortsetzung der Debatte über das Wehrgesetz:
Hr. Thiers setzt neuerdings seinen Willen durch.
Im Art. 42 erregt die Bestimmung, daß es dem Kriegsminister freigesiellt
bleiben solle, die hinreichend ausgebildeten Mannschaften schon nach sechs Mo-
naten in ihre Heimath zu entlassen, die eifrige Einsprache der Abgg. de Cha-
dois und de Mornay und eine lebhafte Debatte, in welche schließlich auch der
Präsident der Republik eingreift. Hr. Thiers erinnert daran, daß diese Be-
stimmung eine der wesentlichen Grundlagen des zwischen der Regierung und
der Commission vereinbarten Ausgleichs sei. Man kann, sagt er in gereiztem
Tone, nicht immer wieder auf diese verwickelten Fragen zurückkommen und sie
in einer Versammlung von 700 Mitgliedern klar machen. (Oho! Stimmen:
.Machen Sie die Gesetze lieber gleich ganz allein !?) Mit diesen Unterbrech-
ungen beweisen Sie gar nichts und verlieren nur Ihre Zeit. Es kommt nicht
bloß auf die Dauer des Dienstes, sondern auch auf den militärischen Geist
an: ein Soldat von sechs Monaten ist bei guter Ausbildung ebensoviel werth,
als ein Soldat von einem Jahre. (Widerspruch.) Die allgemeine Dienstpflicht
muß als Princip respektirt werden, aber die sog. „bewaffnete Nation“ ist nach
dem neuen Gesetze ebenso unmöglich, als nach dem Gesetze von 1832; im We-
sentlichen wird es auf dasselbe, wie nach dem Gesetze von 1832, hinauslaufen,
nur daß eine größere Zahl erzielt wird. Man will jetzt nur wieder die vier-
jährige Dienstzeit durch eine Hinterthür einschmuggeln. Am empfindlichsten
würde darunter die Infanterie leiden, und mit der Infanterie werden die
Schlachten gewonnen. Wir sind hievon so durchdrungen, daß wir, wenn Sie
nicht jetzt die fünfjährige Dienstzeit in der beantragten Weise beschließen, fie
in der dritten Lesung auf's Neue fordern werden. Der zweite Paragraph des
Art. 42 wird hierauf mit 341 gegen 253 Stimmen angenommen.
Hr. Thiers hat seinen Zweck Über Erwarten erreicht. Die Commission
beräth bereits Über die Mittel und Wege, das Privilegium des einjährigen
jenstes einer noch größern Anzahl von Individuen, als bisher beabsichtigt