Frankreich. 399
ordnung hervorzutreten: „Die Nationalversammlung geht, entschlossen
die Regierung auf dem Boden der conservativen Politik zu unterstützen,
zur Tagesordnung über.“
24. Juni. Nat.-Versammlung: Die republikanischen Fractionen berathen dar-
über, der neuen Haltung der monarchischen Fractionen gegenüber Hrn.
Thiers und seiner Regierung eine allgemeine Agitation für Auflösung
der Nationalversammlung entgegen zu setzen.
Die Rechte beschließt in ihrer Fractionsversammlung, mit aller
Macht gegen Thiers vorzugehen. Sie will keinen Conflikt provociren,
aber jede Gelegenheit benutzen, um Front gegen ihn zu machen und
ihn, wenn möglich, zu stürzen. Das rechte Centrum, hofft sie, werde
den Feldzugsplan unterstützen. Bei wichtigen Gelegenheiten soll die
ganze Rechte in einer allgemeinen Versammlung zusammen treten und
der Exminister de Larcyh, der an Depeyre's Stelle einstimmig zum
Präsidenten der Rechten der Nationalversammlung ernannt wurde, bei
solchen Gelegenheiten den Vorsitz führen. Für den Augenblick will
die Rechte indeß die Offensive nicht ergreifen.
Ein Brief des Herzogs v. Broglie erklärt: „Die Delegirten haben von Thiers
nicht verlangt, daß er der Monarchie anhängr, sondern nur, daß er den Pakt
von Bordeaux, stch zur Bekämpfung der radikalen Republik an die Spitze der
conservativen Kräfte zu stellen, fortsetze. Die Delegirten haben Thiers nicht
den Krieg erklärt, sie haben ihn als Oberhaupt des Staats und Vermittler
der Befreiung des Landes anerkannt und werden ihn stets aufs gewissenhafteste
achten; aber sie werden auch, wenn nöthig, die conservativen Principien, welche
sie gefährdet glauben, unterstützen.“
„ „ Nat.-Versammlung: Der Finanzminister de Goulard bringt neue
Steuervorlagen ein und knüpft daran eine vollständige Darlegung der
finanziellen Lage des Landes. Das Defizit beträgt immerhin noch
200 Millionen statt der bisher angenommenen 120 Millionen. Thiers
tritt neuerdings für seine Rohstoffsteuer auf als das allein sichere
Heilmittel für Beseitigung des Deficits.
Die neuen Steuern sollen in einem Aufschlage von 15 Cent. auf die vier
direkten Steuern ünd in einer Erhöhung des Salzpreises um 10 Cent. be-
stehen. Der Rest derjenigen Summen, welche zur Ausgleichung des Deficits
nöthig sind, soll dann der Steuer auf die Rohstoffe entnommen werden. Aus
der Darlegung des Finanzministers sind folgende Ziffern bemerkenswerth: Die
alten Steuern brachten 1800 Millionen ein und die durch die Nationalver-
sammlung bereits bewilligten wurden auf 495 Millionen geschätzt. Um das
Budget von 1873 ins Gleichgewicht zu setzen, hatte man angenommen, Res-
sourcen im Betrage von 120 Millionen schaffen zu müssen. Aber diese Ziffer
reicht nicht aus. Die Zinsen der bevorstehenden Anleihe sind hinzuzurechnen,
sodann 10 Mill. besondere Ausgaben zur Einführung des neuen Armeegesetzes
und schließlich wird man das Desicit zu decken haben, welches aus dem Min-
derertrage der bereits bewilligten verschiedenen neuen Steuern hervorgeht. Wie
der Minister bemerkt, werden diese Steuern im nächsten Jahre mindestens den
an sie gestellten Anforderungen genügen. Aus diesen Gründen verlangt der
Minister, daß man sich nicht mehr damit begnüge, 120 Millionen, sondern
gleich 200 Millionen neue Einnahmen zu schaffen. Was zuvörderst die Be-
steuerung der Rohstoffe anbetrifft, so erklärt der Minister, daß nach genauer