Full text: Europäischer Geschichtskalender. Dreizehnter Jahrgang. 1872. (13)

Frankreich. 399 
ordnung hervorzutreten: „Die Nationalversammlung geht, entschlossen 
die Regierung auf dem Boden der conservativen Politik zu unterstützen, 
zur Tagesordnung über.“ 
24. Juni. Nat.-Versammlung: Die republikanischen Fractionen berathen dar- 
über, der neuen Haltung der monarchischen Fractionen gegenüber Hrn. 
Thiers und seiner Regierung eine allgemeine Agitation für Auflösung 
der Nationalversammlung entgegen zu setzen. 
Die Rechte beschließt in ihrer Fractionsversammlung, mit aller 
Macht gegen Thiers vorzugehen. Sie will keinen Conflikt provociren, 
aber jede Gelegenheit benutzen, um Front gegen ihn zu machen und 
ihn, wenn möglich, zu stürzen. Das rechte Centrum, hofft sie, werde 
den Feldzugsplan unterstützen. Bei wichtigen Gelegenheiten soll die 
ganze Rechte in einer allgemeinen Versammlung zusammen treten und 
der Exminister de Larcyh, der an Depeyre's Stelle einstimmig zum 
Präsidenten der Rechten der Nationalversammlung ernannt wurde, bei 
solchen Gelegenheiten den Vorsitz führen. Für den Augenblick will 
die Rechte indeß die Offensive nicht ergreifen. 
Ein Brief des Herzogs v. Broglie erklärt: „Die Delegirten haben von Thiers 
nicht verlangt, daß er der Monarchie anhängr, sondern nur, daß er den Pakt 
von Bordeaux, stch zur Bekämpfung der radikalen Republik an die Spitze der 
conservativen Kräfte zu stellen, fortsetze. Die Delegirten haben Thiers nicht 
den Krieg erklärt, sie haben ihn als Oberhaupt des Staats und Vermittler 
der Befreiung des Landes anerkannt und werden ihn stets aufs gewissenhafteste 
achten; aber sie werden auch, wenn nöthig, die conservativen Principien, welche 
sie gefährdet glauben, unterstützen.“ 
„ „ Nat.-Versammlung: Der Finanzminister de Goulard bringt neue 
Steuervorlagen ein und knüpft daran eine vollständige Darlegung der 
finanziellen Lage des Landes. Das Defizit beträgt immerhin noch 
200 Millionen statt der bisher angenommenen 120 Millionen. Thiers 
tritt neuerdings für seine Rohstoffsteuer auf als das allein sichere 
Heilmittel für Beseitigung des Deficits. 
Die neuen Steuern sollen in einem Aufschlage von 15 Cent. auf die vier 
direkten Steuern ünd in einer Erhöhung des Salzpreises um 10 Cent. be- 
stehen. Der Rest derjenigen Summen, welche zur Ausgleichung des Deficits 
nöthig sind, soll dann der Steuer auf die Rohstoffe entnommen werden. Aus 
der Darlegung des Finanzministers sind folgende Ziffern bemerkenswerth: Die 
alten Steuern brachten 1800 Millionen ein und die durch die Nationalver- 
sammlung bereits bewilligten wurden auf 495 Millionen geschätzt. Um das 
Budget von 1873 ins Gleichgewicht zu setzen, hatte man angenommen, Res- 
sourcen im Betrage von 120 Millionen schaffen zu müssen. Aber diese Ziffer 
reicht nicht aus. Die Zinsen der bevorstehenden Anleihe sind hinzuzurechnen, 
sodann 10 Mill. besondere Ausgaben zur Einführung des neuen Armeegesetzes 
und schließlich wird man das Desicit zu decken haben, welches aus dem Min- 
derertrage der bereits bewilligten verschiedenen neuen Steuern hervorgeht. Wie 
der Minister bemerkt, werden diese Steuern im nächsten Jahre mindestens den 
an sie gestellten Anforderungen genügen. Aus diesen Gründen verlangt der 
Minister, daß man sich nicht mehr damit begnüge, 120 Millionen, sondern 
gleich 200 Millionen neue Einnahmen zu schaffen. Was zuvörderst die Be- 
steuerung der Rohstoffe anbetrifft, so erklärt der Minister, daß nach genauer
	        
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