Full text: Europäischer Geschichtskalender. Dreizehnter Jahrgang. 1872. (13)

Frankreich. 431 
gesprochen zu haben. (Ja wohl! Sehr gut! links; Lärm rechts. v. Laroche- 
soucauld: Und Ihre Eide!) Ich schließe mich also dem Hrn. v. Kerdrel 
in seinem Verlangen nach einem besonnenen und wohlerwogenen Urtheil an. 
v. Kerdrel: Ich möchte meinen Antrag genauer, wie folgt, formuliren: Ich 
habe die Ehre, zu beantragen, daß eine Commission ernannt werde, welche 
der Nationalversammlung den Entwurf einer Antwort auf die Botschaft des 
Präsidenten der Republik vorlegen soll. (Unterbrechung links.) Diese Fassung 
ist mir von dem Hrn. Presidenten dieses Hauses angerathen worden. Präs. 
Grévy: Vollkommen wahr. Die erste Redaktion schien mir dem Nebensinn 
eines Tadels Raum zu geben, und die Botschaft ist doch eine Mittheilung 
von Macht zu Macht. (Mehrere Stimmen rechts: Nur daß die eine Macht 
eine delegirte der anderen ist!) Ich bringe die Dringlichkeit des Antrags des 
Hrn. v. Kerdrel, und zwar, da über den Dahirel'schen Antrag noch nicht ent- 
schieden ist, nach unserer alten Praxis zur Abstimmung. (Nach zweimaliger 
Probe:) Die Dringlichkeit ist angenommen. (Heftiger Widerspruch links.) 
Ich möchte wohl wissen, wer sich hier erlaubt, eine Entscheidung des Bureau's 
anzuzweifeln. (Sehr gut! rechts.) 
15. Nov. Die Freimaurerloge zum großen Orient beschließt, mit allen 
18. 
Freimaurern Deutschlands förmlich zu brechen, weil sie nicht gegen 
die Erwerbung von Elsaß-Lothringen protestirt hätten. 
„ Nat.-Versammlung: Debatte über die Interpellation Changarnier 
gegen Gambetta. Dieser beobachtet beharrlich Schweigen. Bei der 
Abstimmung werden die von Hrn. Thiers abgelehnten Formulirungen 
der Tagesordnung verworfen, die von ihm acceptirte wird dagegen 
mit 267 gegen 117 Stimmen angenommen. Da aber 277 Mit- 
glieder der Rechten sich bei der Abstimmung enthalten haben, ist die 
Regierung eigentlich in der Minderheit geblieben. 
In der Debatte protestirt Changarnier gegen das wachsende Umsich- 
greifen des Radicalismus, er bekämpft lebhaft die Rede Gambetta's in Gre- 
noble, darauf hinzielend: die Versammlung solle sich von dem Aufwiegler los- 
sagen, welcher, im Besitze der Gewalt, den Nuin Frankreichs herbeiführen 
werde. (Lebhafter Beifall der Rechten.) Der Minister des Innern weist 
die der Regierung gemachten Vorwürfe der Unentschlossenheit und der Schwäche 
zurück, die Regierung erfülle nur ihre Pflicht; er protestirt gegen den Ausdruck 
eprovisorische Regierung", und bestreitet auf's lebhafteste, daß die Regierung 
gemeinschaftliche Sache mache mit dem Radicalismus, indem er an die von der 
Regierung getroffenen Maßregeln, an die Erklärung des Hrn. Thiers in der 
Permanenzcommission erinnert. Der Herzog v. Broglie beantragt, daß die 
Regierung sich von Neuem in förmlicher Weise von Gambetta lossage. Thiers 
betont, daß, sobald eine wirkliche Gefahr vorhanden sei, die Negierung immer 
den Kampf gegen den Socialismus und die Demagogie aufnehmen könne, da 
Frankreich gegenwärtig von einer tapfern Armee beschützt sei; er bestreite die Be- 
fugniß seiner Ankläger, ihn auf die Anklagebank zu setzen, er entziehe sich aber 
nie dem Urtheilsspruch des Landes; er sei immer bereit, als Deputirter oder als 
Oberhaupt der Regierung vor dem Tribunal des Landes zu erscheinen. Wolle 
man eine starke Regierung, so müsse man ihr eine würdige Stellung verschaffen, 
nicht sie in schuldvollen Verdacht bringen; übrigens sei die Rede in Grenoble 
nur ein Vorwand, man solle nur die Vertrauensfrage stellen. Thiers schließt: 
Verlieren wir keine Zeit, bedenken Sie, wie Sie stimmen wollen. Sie gaben 
mir das Recht, eine entscheidende Willenserklärung von Ihnen zu fordern. 
Sie beklagen, daß die Regierung nur eine provisorische ist, schaffen Sie 
eine definitive. Der Augenblick ist günstig, Frankreich wird 
sie annehmen. (Lebhafter Beifall der Linken.) Die Nationalversammlung
	        
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