Full text: Europäischer Geschichtskalender. Dreizehnter Jahrgang. 1872. (13)

452 
Ttalien. 
Nachdem er die Vornürfe der Opposition widerlegt und die wenigen be- 
deutenden Incidenzpunkte abgefertigt hat, sährt er fort: „Als Italien die 
weltliche Macht des Papstes beseitigte, erhob sich die Reaktion der ganzen Welt 
gegen uns, eine gar nicht zu unterschätzende Gewalt. Wir fürchteten uns aber 
nicht, weil wir die Gewalt der öffentlichen Meinung, der Civilisation und des 
Fortschrittes, die Gewalt der Jahrhunderte, wenn ich mich so ausdrücken darf, 
auf unserer Seite hatten. Wir müssen aber so verfahren, daß die clericale 
Parlei in der religiösen Beunruhigung der Gemüther keine Stütze findct. Es 
muß Allen klar werden, daß die Clericalen selbst den Bürgerkrieg nicht scheuen, 
um die weltliche Macht des Papstes wiederherzustellen. (Bravo.) Wir mühssen 
die Verjährung der römischen Frage anstreben.“ (Sehr gut.) Ueber die Be- 
ziehungen zu den europäischen Mächten sagt dann der Minister weiter, daß 
Italien mit beinahe allen Staaten in dem freundschaftlichsten Verhältniß stände. 
Hinsichtlich Deutschlands bemerkle er: „Während des Krieges zwischen Deutsch- 
land und Frankreich beobachteten wir, wie alle anderen Staaten, eine loyale 
Neutralität, nachdem aber der Friede wieder hergestellt war, haben wir alles 
gethan, was in unsern Kräften stand, die innigen, freundschaftlichen Beziehun- 
gen, welche seit 1866 zwischen den beiden Regierungen und Völkern bestanden, 
außer allen Zweifel zu stellen und die Bande der Freundschaft noch enger zu 
knüpfen. Und es war nicht schwer, weil sich unsere Wünsche mit denen von 
Berlin begegneten; wir fanden dort dieselbe Neigung und dieselbe Ueberzeu- 
gung, daß Italien und Deutschland durch keine Frage getrennt find, und daß 
die politischen Beziehungen und der Handelsverkehr zwischen den beiden Län- 
dern berufen find, immer inniger und lebhafter zu werden, sowohl zum Vor- 
theil Italiens wie Deutschlands. Aber nicht allein Herzenseinigung und die 
Gemeinsamkeit der Interessen verbinden uns mit Deutschland, sondern auch 
unsere gemeinsamen Feinde. Wir kämpfen einen harten Strauß mit einer 
mächtigen Partei, die sich gegen uns erhoben, die Überhaupt die Herrschaft 
über die ganze Welt an sich reißen möchte. Wohlan, sagt Deutschland, ein 
großes Volk mil einer starken Regierung, wir verfolgen sympathisch das Werk 
Eurer politischen Consolidirung, fahrt fort, Eure inneren Angelegenheiten zu 
ordnen, wie es Euch gefällt, damit Ihr eine kräftige Stütze des Friedens und 
der Ordnung für Europa werdet. Unsere eigenen Kämpfe mit demselben Feinde, 
der auch der Eurige ist, setzen uns in den Stand, die Schwierigkeiten, in welchen 
Ihr Euch befindet, vollkommen zu würdigen und anzuerkennen, daß Ihr mit 
aller nur möglichen Mäßigung und Schonung kämpft und nicht anders han- 
deln könnt, wie Ihr eben thut. (Allgemeiner Beifall.) Es ist natürlich, daß 
wir die besten Beziehungen mit Deutschlands Regierung und Bevölkerung zu 
unterhalten suchen. Wir wären strafbar, wenn wir es nicht thäten.“ Hierauf 
spricht der Minister von der Reise des Prinzen Humbert und der Prinzessin 
Margaretha nach Deutschland und von dem herzlichen Empfange, der ihnen 
nicht nur von Seite des preußischen Hofes, sondern auch von Seiten der Ber- 
liner Bevölkerung zu Theil geworden, und daß diese Reise nicht wenig dazu 
beigetragen hätte, die Bande der Freundschaft und Bundesgenossenschaft noch 
enger zu knüpfen. Hinsichtlich Frankreichs bemerkt der Minister: „Unsere Be- 
ziehungen auch zu Frankreich sind freundlicher Natur. Wenn zwischen zwei 
Völkern ein lebhafter Verkehr herrscht, so entstehen bisweilen Schwierigkeiten. 
Die französische Regierung hat sich immer bereit gezeigt, solche Schwierig- 
keiten zu beseitigen, und unsere Beziehungen sind von Tag zu Tag freund- 
licher geworden. Zwischen den Bevölkerungen diesseits und jenseits der Alpen 
herrscht eine gewisse Verstimmung; daran sind aber nicht die Regierungen, son- 
dern die Clericalen schuld. Wir find stets bestrebt gewesen, Frankreich zu zeigen, 
daß die Italiener Freunde der Franzosen sind und es auch bleiben wollen; und 
diese unsere Bestrebungen sind auch nicht ohne guten Erfolg geblieben.“ 
— Nov. Die Regierung löst eine Anzahl Arbeitervereine wegen angeblich 
republikanischer Tendenzen auf.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.