Full text: Europäischer Geschichtskalender. Dreizehnter Jahrgang. 1872. (13)

Die pupstliche Curie. 459 
sollen wir ferner, Herr Cardinal, von jenen sogen annten Garantieen 
sagen, welche die usurpatorische Regierung dem Oberhaupt der Kirche leisten 
zu wollen sich den Anschein gegeben hat, in der offenbaren Absicht, die Einfalt 
der Unvorsichtigen zu täuschen und jenen politischen Parteien, denen die Frei- 
heit und Unabhängigkeit des römischen Oberhirten wenig am Herzen liegt, 
eine Waffe zu bieten! Setzen wir auch jede andere Erörterung bei Seite, so 
ist das, was gerade heute in Nom selbst geschieht, in einem Augenblicke, wo#“ 
Alles daran liegen müßte, Europa von der Kraft uud Wirksamkeit des ge- 
priesenen Gesetzes zu überzeugen, der beredteste Beweis, um die Leere und Ohn- 
macht desselben darzuthun. Und fürwahr, was hilft es, die Immunität der 
Person und der M#sidenz des römischen Oberhirten zu proklamiren, wenn die 
Regierung nicht die Kraft hat, Uns vor den täglichen Beschimpfungen zu 
schützen; denen unsere Autorität ausgesetzt ist, sowie vor den in tausendfacher 
Weise gegen Unsere eigene Person wiederholten Beleidigungen, und wenn Wir 
im Verein mit jedem rechtschaffenen Mann betrübte Zeugen der Art und Weise 
sein müssen, wie in einzelnen auch ganz neuen Fällen das Strafrecht gehand- 
habt wird! Was hilfst es Uns, die Thüren Unserer Wohnung nicht zu ver- 
schließen, wenn es Uns nicht möglich ist, dieselbe zu verlassen, ohne gottlosen 
und empörenden Scenen beiwohnen zu müssen, ohne Uns Beschimpfungen von 
Leuten auszusetzen, die hier zusammengelaufen sind, um Immoralität und Un- 
ordnungen zu begünstigen, ohne Gefahr zu laufen, unfreiwillig Conflicten 
zwischen Bürgern beizuwohnen? Was hilft es, persönliche Garantieen für die 
hohen Würdenträger der Kirche zu versprechen, wenn sie sogar genöthigt sind, 
auf den Straßen die Abzeichen ihrer Würde zu verbergen, um sich nicht allerlei 
Mißhandlungen ausgesetzt zu sehen; wenn die Diener Gottes und das Aller- 
heiligste Gegenstand des Spottes und der Verhöhnung sind, so daß es manch- 
mal nicht einmal rathsam ist, die erhabensten Ceremonien unserer Religion 
abzuhalten, öffentlich nämlich; wenn endlich die Hirten der katholischen Heerde, 
welche genöthigt find, von Zeit zu Zeit nach Rom zu kommen, um Rechen- 
schaft von den Angelegenheiten ihrer Kirchen abzulegen, sich ohne irgend welche 
reelle Garantie denselben Beschimpfungen und vielleicht auch denselben Gefahren 
ausgesetzt finden können? Nichts hilft die Proklamirung der Freiheit Unseres 
Hirtenamtes, wenn die ganze Gesetzgebung selbst in den wichtigsten Punkten, 
wie in den Sacramenten, sich in offener Opposition mit den Grundprinzipien 
und den Universalgesctzen der Kirche befindet. Nichts hilft die gesetzliche An- 
erkennung der Autorität des obersten Kirchenfürsten, wenn die Wirkung der 
von ihm ausgehenden Akte nicht anerkannt wird, wenn die von ihm ernannten 
Bischöfe sogar gesetzlich nicht anerkannt werden und man sie mit einer Unge- 
rechtigkeit ohne Gleichen an der Nutznießung des legitimen Vermögens ihrer 
Kirchen verhindert und ihnen sogar den Eintritt in ihre bischöflichen Woh- 
nungen verbietet, so daß sie in einen Zustand gänzlicher Verlassenheit versetzt 
sein würden, wenn jene Frömmigkeit der Gläubigen, die Uns erhält, nicht 
wenigstens für jetzt die Möglichkeit gestattete, mit ihnen das Scherflein des 
Armen zu theilen. Mit Einem Worte, welche Garantieen könnte eine Regie- 
rung für die Aufrechthaltung ihrer Versprechen geben, wenn das erste der 
Grundgesetze des Staats nicht nur ungestraft von jedem beliebigen Bürger mit 
Füßen getreten, sondern von der Regierung selbst, welche Uns auf jedem Schritt 
bald mit Gesetzen, bald mit Beschllüssen, wie es ihr am besten paßt, deren Be- 
obachtung versagt, null und nichtig gemacht wird? Alles dieses, Herr Cardinal, 
haben Wir Ihnen vorzüglich zu dem Zweck auseinandergesetzt, damit Sie den 
Vertretern der bei Unserem heiligen Stuhl beglaubigten Re- 
gierungen den kläglichen Zustand bekannt machen, in welchen 
Wir Uns durch die neue Ordnung der Dinge zu so großem Nachtheil der 
katholischen Kirche versebt sehen. Zugleich beauftragen Wir Sie, in Unserem 
päpstlichen Namen gegen die begangenen, sowie die angedrohten Attentate wider 
Uns, sowie wider die ganze katholische Christenheit zu protestiren. Da sie
	        
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