Die päpftliche Gurie. 465
rität und der Freiheit der Kirche widerstrebende Gesetze sanktionirt hatte, jüngst
katholische Schulen unterdrückt und von religiösen Familien einige vertrieben
und andere des ihrem Institute eigenthümlichen Unterrichtes beraubt, und jetzt
thut sie alles, um die Autorität abzuschaffen, welche dort seit vielen Jahren
auf dieser Seite unser ehrwürdiger Bruder Kaspar, Bischef von Hebron, recht-
mäßig auslibt, und ihn seines pfarramtlichen Benefiziums zu berauben; ja,
sie ist so weit vorgegangen, jene Bürger mittels öffentlicher Kundgebung ein-
zuladen und aufzureizen, die kirchliche Regierung schismatisch umzustoßen.“ Die
Zusammenstellung der Bedrückungen der Kirche wird mit Erwähnung der anti-
kirchlichen Gesetzgebung in Spanien (Civilehe) und des armenischen
Schismas's geschlossen. Zuletzt drückt Pius seine Befriedigung darüber aus,
daß sich der Episkopat in allen den aufgeführten Ländern so standhaft zeige,
die Rechte der Kirche zu wahren, und fordert zum engsten Zusammenhalten auf.
27. Dez. Der Papst empfängt die Generale, den Generalstab und die
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meisten in Rom anwesenden Officiere des ehemaligen päpstlichen Heeres
und antwortet auf die Ansprache des Generals Kanzler:
„Ihr habt mit Recht bemerkt, daß die sozialen Verhältnisse, weit entfernt
sich zu bessern, von Tag zu Tag schlimmer werden. Euer Anblick ist ein
lebendiger Beweis davon. Ihr ehrenwerthen, tapferen und treuen Vertheidiger
dieses heiligen Stuhles kommt entwaffnet zu mir und beweist dadurch, wie
traurig die Zeit ist, in welcher wir leben. Ach, könnte ich doch der Stimme
Gottes gehorchen, welche einst zu einem andern unterdrückten Volke sprach:
„Verwandelt den Spaten, die Hacke und den Ackerpflug, wie alle andern Ge-
räthschaften des friedlichen Ackerbaues in Lanzen, Spieße und Schwerter und
anderes Kriegsgeräth, weil die Feinde nahen und wir Waffen und Streiter
brauchen.“ Ach, wollte doch Gott diese Sprache zu uns reden! Aber der liebe
Gott schweigt, und auch ich muß also schweigen. Ich will keinen Krieg ent-
zünden. Ich schließe also, daß die Revolution durch ihre eigenen Waffen zum
Falle kommen wird, und diese sind: Ermanglung aller religiösen Grundsätze,
die wachsende Ungerechtigkeit und Immoralität, die Bresche an der Porta Pia
und alle die andern Uebelthaten, die ich euch nicht aufzuzählen brauche, da ihr
mitten unter ihnen gelebt habt und sie besser kennt als ich selber. Ja, die
Revolution wird durch sich selbst fallen mit den Waffen in der Hand, die sie
gegen die Wahrheit, gegen die Gerechtigkeit und gegen die heilige Kirche er-
hoben hat. Wie jedoch können wir dies erlangen? „Dominus Deus Isracl
respice in hac hora“: uns zum Gebete wendend und Judith nachahmend,
welche unter Gottes Beistande das belagerte Bethulin befreite. Mit dem Ge-
bete werden wir Gott rühren, daß er mit seiner Stärke unsere Wünsche und
Hoffnungen zu erfüllen komme.“
„ Der Papst empfängt die Glückwünsche des Adels und sagt zu der
Deputation, daß der Adel und die Geistlichkeit die beiden Hauptstützen
der Throne seien, daß auch Jesus Christus ein Freund der Aristokratie
gewesen und deßhalb aus dem Stamme Davids entsprungen sei.
„ Der interimistische Vertreter des deutschen Reiches am päpstlichen
Hofe, Legationssekretär Lieutenant Stumm, erhält als Antwort auf die
päpstliche Allocution von Berlin aus den Befehl, in Urlaub zu gehen,
zeigt dieß dem Cardinal-Staatssekretär an und verläßt Rom noch am
gleichen Tage. Das deutsche Reich bleibt vorläufig am päpstl. Hofe
unvertreten.
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