Full text: Europäischer Geschichtskalender. Dreizehnter Jahrgang. 1872. (13)

470 
Die Schweiz. 
sowie allfällige Tarifirung fremden Geldes ebenfalls [8 36 alt, § 37 neul. 
In einem neu eingeschalteten Paragraphen erhielt der Bund das Recht, ge- 
setzliche Vorschriften über Ausgebung und Einlösung von Banknoten aufzu- 
stellen (§ 38 neul. Die Bestimmung über die Bestreitung der Ausgaben des 
Bundes erlitten insofern eine Veränderung, als an die Stelle der „Zinsen des 
eidgenössischen Kriegsfonds“ der „Ertrag des Bundesvermögens“ (dos 1848 
noch nicht existirte) gesetzt ward, und der „Ertrag der Militärpflicht-Ersatzsteuer" 
zu den sonstigen Einnahmen aus den Zöllen [S§S 23. 24 alt] u. s. w. hinzu- 
kam /& 39 alt, §& 41 neul. Die 88 42 u. 43 alt (42—47 neuj] behandeln 
das Niederlassungswesen. Nach beiden Verfassungen ist jeder Kantons- 
bürger als solcher auch Schweizer-Bürger. Nach der alten Verfassung kann 
der Niedergelassene in eidgenössischen und in kantonalen Angelegenheiten die 
politischen Rechte in seinem Wohnsitz-Kanton nur unter den nänmlichen Be- 
dingungen ausüben, wie die Bürger dieses Kantons, in kantonalen aber erst 
nach einem längeren Aufenthalt, dessen Dauer durch die kantonale Gesetzgebung 
bestimmt wird, jedoch nicht über zwei Jahre ausgedehnt werden darf. Nach 
der neuen Verfassung dagegen „genießt derselbe an seinem Wohnsig alle Rechte 
der Kantons= und der Gemeinde-Bürger, mit alleiniger Ausnahme des Mit- 
antheils an den Bürger= und Corporationsgütern", und in kantonalen wie 
Gemeinde-Angelegenheiten erwirbt er das Stimmrecht schon nach drei Monaten 
[§S 42 alt und neul. Nach beiden Verfassungen darf ferner kein Kanton Je- 
manden des Bürgerrechts für verlustig erklären, und die neue verbietet außer- 
dem auch die alte Verbannung, und während die alte Verfassung die Erthei- 
lung des Kantonsbürgerrechis an Ausländer an die vorangegangene Entlassung 
aus dem früheren Staatsverbande bindet, Überweist die neue diese und ähn- 
liche Bestimmungen der Bundeßsgesetzgebung [#K 43 alt und neus. Das Recht 
der freien Niederlassung, das in der alten Verfassung an den Besitz eines Hei- 
mathscheines, eines Leumundszeugnisses und einer Bescheinigung über Besitz 
bürgerlicher Rechte und Ehre gebunden ist (§ 41 alt], wird in der neuen bloß 
von dem „Besitz eines Heimathscheines oder einer andern gleichbedeutenden Aus- 
weisschrift“ abhängig gemacht und kann ausnahmsweise denen verweigert wer- 
den, die entweder durch strafgerichtliches Urtheil ihrer bürgerlichen Rechte und 
Ehren verlustig gegangen, oder dauernd der öffentlichen Wohlthätigkeit zur 
Last fallen und von ihrer Heimathgemeinde keine angemessene Unterstltzung 
empfangen. Während der alte § 41 nur bestimmt, daß den Niedergelassenen 
anderer Kantone keine größeren Leistungen an die Gemeindelasten auferlegt 
werden dürfen, als den Niedergelassenen des eigenen Kantons, besagt der neue 
§ 44; die Gemeinde dürfe ihn „nicht anders besteuern ols den Ortsbürger“, 
was für viele Kantone, deren Gemeinden die Niedergekossenen aus dem eigencn 
Kanton schwer belasten und daher auch die aus anderen Kantonen gleich be- 
handeln dürfen, eine wesentliche Veränderung zu Gunsten der freien Nieder- 
lassung nach sich gezogen hätte. § 45 (neu) stellt die Niedergelassenen in Be- 
ziehung auf civilrechtliche Verhältnisse „in der Regel unter das Recht und die 
Gesetzgebung des Wohnsitzes“ und überträgt „die Anwendung dieses Grund- 
satzes, sowie die erforderlichen Bestimmungen gegen Doppelbesteuerung der 
Bundesgesetzgebung“. Auch „der Unterschied zwischen Niederlassung und Auf- 
enthalt"“ und die „näheren Vorschriften über die politischen und bürgerlichen 
Rechte der Aufenthalter“ wird jener vorbehalten [#46 neul, und dieselbe hat 
Bestimmungen zu treffen über die „Kosten der Verpflegung und Beerdigung 
armer Angehöriger eines Kantons, welche in einem andern Kanton krank wer- 
den oder sterben (# 47 neul. Während die alte Verfassung Über Glaubens- 
und Gewissensfreiheit schweigt und die Cultusfreiheit nur den „aner- 
kannten christlichen Confessionen“ gewährleistet, proklamirt die neue die Unver- 
letzlichkeit der Glaubens= und Gewissensfreiheit, und bestimmt ausdrücklich: 
„Niemand darf in der Ausübung der bürgerlichen oder politischen Rechte um 
der Glaubensansichten willen beschränkt, oder zur Vornahme einer religibsen
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.