Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. 47
den Grafen Rechberg, worin derselbe das Placet als Beschränkung der kirch-
lichen Freiheit beklagt, und sagt: daß es den kirchlichen Einrichtungen ent-
gegengesetzt sei, indem ja ohne königliche Erlaubniß nichts (kirchliches) publizirt
werden dürfe. Dieses Schreiben habe die Staatsregierung dahin beantwortet,
daß das Placet schon unter den Kurfürsten gegolten habe und keineswegs die
kirchliche Freiheit beeinträchtige. Redner erzählt: daß ihm der Cardinal Con-
salvi selbst gesagt habe, Rom erkenne das Placet nie an, es lasse sich dasselbe
nur gefallen. (Unruhe rechts.) Man sagt, Überall hat man gewartet, ob
denn wirklich das Dogma staatsgefährlich sei, nur bei uns nicht. M. HH.,
das heißt, wir sollten die Thüre zumachen wenn die Kuh aus dem Stall ist,
oder, noch befser, wir sollten die Thüre aufmachen, damit die Kuh hinaus
kann. (Lebhafte Heiterkeit und Bravo links.) Meine Herren! Lassen Sie
den württembergischen Klerus das brachium saecculare verlangen, und es
wird sich auch diese Regierung rühren müssen, wenn erst einmal ein Döllinger
dort auferstanden, und ein Bischof Hefele nicht wäre! Wir mischen uns nicht
ein, wir hindern oder treiben Niemanden, wenn jemand nicht aus eigener
Ueberzeugung Katholik wird, durch uns, m. HH., wird er es gewiß nicht.
(Allgemeine Heiterkeit.) Meine Herren, mag die Abstimmung ausfallen wie
sie will, die Beweisgründe für uns sind so gute, daß mit der Abstimmung
der Streit noch nicht beendet ist; denn Wissenschaft steht auch auf unserer
Seite, und dessen bin ich sicher, daß die, welche etwas verstehen das Recht auf
unserer Seite zu suchen find!“ Schlußrede des Ministerpräsidenten Graf
Hegnenberg: „Der Gegenstand ist erschöpft, die Kammer selbst ist erschöpft,
und ich werde sehr kurz sein, denn wer noch nicht weiß ob er die Beschwerde
für begründet oder unbegründet erachten soll, den kann man auch nimmer
aufklären. Ich möchte Ihre Blicke statt zurück nach vorwärts richten. Nach
meiner Ueberzeugung bildet die Kammer ein richtiges Bild des Landes: der
Riß, der durch die Kammer geht, geht durchs Land, die Gegensätze scheinen
unausgleichbar, die Träger der entgegenstehenden Principien find unversöhnlich,
aber nicht nur schroff stehen die Parteien sich gegenüber, sondern auch in
einem numerischen Verhältnisse, welches es absolut unmöglich macht, daß eine
Partei die andere bewältige; unter diesen Umständen erscheint ein friedliches
und einträgliches Zusammengehen hoffnungslos, und ich gewinne mehr und
mehr den Eindruck, daß es beinahe nicht mehr erwünscht sei. Unter diesen
Umständen ist es gleichgiltig, wer auf diesem Stuhle sitzt; einer Mehrheit in
Partibus hat noch kein Ministerium folgen können; lehnt sich aber das Mini-
sterium auf die eine oder andere Seite, so wird es stets die Hälfte des Landes
gegen sich haben; es ist auch gleichgiltig, wer auf dem Standpunkte der Re-
gierung steht, so lange im Lande nur zwei Parteien bestehen, von denen jede.
ihr politisches Princip bis zum Extrem treibt. Einen Beweis für diese
Lage gibt am besten die heutige Verhandlung. „Helfen Sie ab, es kostet
mnur ein Wort“, so hat mein verehrter Freund Ruland gesagt: „entziehen
Sie dem Renftle den weltlichen Schutz!“ Und gesetzt, wir hätten es gethan,
so stünden wir heute vor derselben Beschwerde von Seite der Gegenpartei.
(Nufe links: Sicher!) Incidit in Scyllam, qui vult vitare Charybdim!
Was folgt daraus? Können wir auf dem eingeschlagenen Wege fortfahren,
bis das Blut des Volkes ganz vergiftet, bis das Land vollkommen erschöpft
ist: Von Vaterlandsliebe kann ich hiebei keine Spur finden, nennen Sie
das Verfahren fortschrittlich oder patriotisch; es gibt nur einen Rettungsweg,
wie uns die Geschichte parlamentarischer Ereignisse zeigt, den der politisch ver-
ständigen, aufopferungsvollen Vaterlandsliebe. Der Conflikt ist da, wir haben
die Frage nicht ins Land geschafft, wir werden sie nicht hinausschaffen, sie
braucht vielleicht ein Jahrhundert zu ihrer Lösung, aber das ist unsere Pflicht,
sie auf gesetzlichem Wege zu lösen, sie soll friedlich ausgetragen, nicht ausge-
lämpft werden; der bloße Name „Mittelpartei“ genligt nicht, zwischen den
jetzigen Strömungen hat eine dritte Partei auch keinen Platz, aber Eines ist