Full text: Europäischer Geschichtskalender. Dreizehnter Jahrgang. 1872. (13)

50 Das deutsche Reich und seine einjelnen Elieder. 
hinzuwirken und die nöthigen Maßregeln zur Ueberwachung des Unterrichts 
der Geistlichen an der Schule zu treffen. 
29. Jan. (Elsaß-Lothringen.) Der Oberpräsident macht bekannt: Mit 
dem 1. Februar treten an Stelle der Präfekten in Straßburg, Col- 
mar und Metz Bezirkspräsidenten. Zugleich beginnt am selben Tage 
die Wirksamkeit der Steuerdirektoren, Bezirkshauptkassen und der 
Landeskasse. An diesem Tage findet in Straßburg auch die erste 
Schwurgerichtssitzung statt. 
30.—31. Jan. (Preußen.) Abg.-Haus: Budget, Etat des Cultmini- 
steriums. Minister Falk erklärt, die in der Thronrede angekündigten 
Vorlagen würden aus äußern und innern Gründen nicht erfolgen; 
von den bereits eingebrachten halte er nur das Schulaufsichtsgesetz 
aufrecht. Abg. Nichter zieht hierauf Namens der Commission die 
zum Cultusetat im Allgemeinen gestellten Anträge zurück. Mallinkrodt 
tadelt die Aufhebung der katholischen Abtheilung im Cultusministerium 
und der Abg. Windhorst-Meppen gibt dem Fürsten Bismarck Anlaß 
zu einer einläßlichen Rede zur Beleuchtung der confessionellen Politik 
und der Centrumsfraction, deren Bildung er geradezu eine „Mobil- 
machung gegen den Staat“ nennt. In der Specialdiscussion ruft 
Titel 5 (evangelischer Oberkirchenrath) eine lange Debatte hervor. 
Es wird auf die Verweigerung aller Ausgaben für den Oberkirchen- 
rath angetragen, der Antrag aber nach einer Nede des Ministers Falk, 
man möge ihm Zeit lassen, bis er sich über all die höchst verwickelten 
Fragen orientirt habe und festen Boden unter den Füßen fühle, gegen 
die Stimmen der Fortschrittspartei abgelehnt. 
Fürst Bismarck: Wenn der Vorredner mit warmen Worten dem Wunsch 
Ausdruck gab den früher nicht gestörten kirchlichen Frieden wieder herzustellen, 
so appellire ich an sein eigenes, ungetrübtes Urtheil ob seine Worte diesem Zweck 
zu entsprechen geeignet waren. Jedenfalls entbehrten dieselben der christlichen 
Milde in der Beurtheilung des Gegners und der christlichen Demuth in Bezug 
auf die eigene Sache. Ihr Nein — sagle er — ist kein Beweis, und gleichzeitig 
führte er sein Ja als einen solchen für Thatsachen an, denen sonst nichts zur 
Seite steht, und denen gegenüber ich behaupte, daß ich sie so lange nicht für 
wahr halte, bis mir Documente darüber beigebracht werden. Er beschwerte 
sich darüber, daß die Katholiken nicht in dem der Bevölkerung entsprechenden 
Verhältniß bei der Besetzung der höhern Staatsämter berücksichtigt seien; ich, 
in meiner Stellung als Ministerpräsident lehne jede Verpflichtung einer con- 
fessionellen Zählung in dieser Beziehung ab (Beifall) und werde eine solche 
niemals zugeben. Es ist möglich, daß das statistische Bureau darauf bezüg- 
liche Aufstellungen gemacht hat; ich weiß das nicht, und bekümmere mich 
darum nicht — das statistische Bureau veranstaltet ja viele Zählungen, mit 
deren Tendenz ich nichts zu thun habe. (Heiterkeit.) Es wurde namentlich 
darauf hingewiesen, daß ich keinen Collegen katholischer Confession im Mini- 
sterium habe. Ich bedaure das lebhaft, indessen wir bedürfen in dem Mini- 
sterium einer Mehrheit, welche bereit ist, die von der Regierung eingeschlagene 
Richtung entschieden zu unterstützen. Glaubt der Hr. Vorredner, daß wir dieß 
von einem Mitgliede seiner Fraction erwarten dürfen? (Heiterkeit.) Trotz 
des lockern Zusammenhangs der verschiedenen Ressorts ist eine gewisse Homo- 
genität des Ministeriums nicht zu entbehren, für die mir die Mitglieder des
	        
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