Das deutsche Reich und seine einzelnen Elieder. 63
Ich könnte, ohne von den Ansichten des Hrn. Abgeordneten mehr abzuweichen
als er von den meinigen, z. B. behaupten: er habe daos dringende Bedürfniß
Minister zu werden und es würde das gerade ebenso wahr aus der damaligen
Debatte deducirt sein. Aber ich will noch weiter gehen und fragen: Wie
denkt sich der Hr. Abgeordnete die Verfassung, die er beschworen hat, wenn er
so geringschätzig von Mehrheiten spricht, und es gewissermaßen als einen Ab-
fall von meinen früheren auf dem monarchischen Princip beruhenden Tra-
ditionen bezeichnet, wenn ich das Ministerium in Einklang zu halten suche mit
der Mehrheit der Volksvertretung Wenn ich mir den Hrn. Abgeordneten
Windthorst als Minister denke, so würde er eben die Mehrheit gering schätzen:
„Unser König absolut, wenn er unsern Willen thut!“ Wie er das aber mit
der Beschwörung der Verfassung vereinbaren will, das weiß ich nicht. Der
Hr. Abgeordnete hat angedeutet: es könnte Jemand wohl jahrelang Noyalist
sein und dann plötzlich zum Parlamentarismus abfallen. Natürlich, m. HH.,
hat er mich mit diesen allgemeinen Andeutungen ebenso wenig gemeint als
ich ihn jetzt mit den meinigen, aber solche naive Sätze haben ja immer ihre
ganz besondere Bedeutung. (Heiterkeit.) Ich könnte ja z. B. sagen: Es
kommt nicht selten vor, daß der bitterste Feind einer bestimmten Monarchie
sich unter der Maske der Sympathie für diese Monarchie an deren König
heranzudrängen sucht, um ihm einen Nath zu ertheilen, der höchst gefährlich
ist für diese Monarchie. (Lebhafte Bewegung.) Natürlich bin ich ja weit
entfernt davon irgendein Mitglied hier im Hause damit anzugreifen, aber das
ist eben auch ein Sag, der in dieser Allgemeinheit ausgesprochen werden kann.
Der Hr. Abgeordnete war in der öffentlichen Meinung und bei der kgl. Re-
gierung im Rufe eines resoluten und unversöhnlichen Gegners der preußischen
Regierung. Diesen Ruf hatte er bis diese Fraction, der ich den Beruf des
Friedens vindiciren möchte, sich ihm unterordnete. Ich glaube Sie werden
zum Frieden eher gelangen, wenn Sie sich dieser welfischen Führung entziehen,
und wenn Sie in Ihre Mitte namentlich Protestanten nicht aufnehmen, die
gar nichts mit Ihnen gemein haben als das Bedürfniß — oder ich will
sagen, die gar nichts mit Ihnen gemein haben, wohl aber das Bedürfniß,
daß in unserem friedlichen Lande Streit entstehe; denn die welfischen Hoff-
nungen können nur gelingen, wenn Streit und Umsturz herrscht. Sie sind
außerordentlich vermindert, nachdem der französische Kriege, auf den früher von
einigen Mitgliedern der Partei gehofft und hingewiesen wurde, einstweilen ab-
gethan ist und zu unserem Vortheil abgethan ist. Der Staat, wie er dem
Hrn. Abg. Windthorst vorschwebt, würde seiner Verwirklichung viel näher
gekommen sein, wenn die Franzosen Über uns gesiegt hätten; aber diese Hoff-
nung wird bei der welfischen Partei nicht mehr gehegt. Wer also Streit
will, muß ihn anderswo suchen und anderswo Bundesgenossen finden, die
Franzosen find nicht mehr stark genug; wenn aber andere Leute sich dazu
hergegeben haben, die Castanien für sie aus dem Feuer zu holen, warum soll
man ihnen das nicht gern überlassen: Ein anderes Princip des Streites
nimmt eine friedliebende confessionelle Partei in sich auf, wenn sie sich ver-
bindet oder in sich erzeugt als ein Unkraut, welches in jeder Partei wuchert,
eine gewisse Gattung publicistischer Klopffechter, deren Gewerbe gleich todt sein
würde, wenn Friede wäre, Leute, die nur davon leben, daß sie die Stirn und
Grobheit haben Dinge zu sagen, die man sonst nicht sagt, die man nicht zu
hören erwartet, um sich nachher in ihren Versammlungen zu rühmen: „Na,
dem hab' ich es gut gegeben, der wird sich ärgern.“ Aber das Aergern ist
doch eigentlich kein vernünftiger Zweck, den eine religiöse confessionelle Partei
verfolgen kann, der Friede, die Versöhnung im Staate kann doch nur Zweck
sein. Auf welche Weise so ein Gewerbe betrieben wird, darüber erlaube ich
mir einen kurzen Auszug zu geben aus dem „Katolik“ des Redacteurs Karl
Miaska in Königshütte, dem Schauplatz der bekannten Unruhen — einem
Blatte, das nicht ohne Betheiligung von Geistlichen redigirt wird, wie mir