Full text: Europäischer Geschichtskalender. Dreizehnter Jahrgang. 1872. (13)

Das deutsche Reich und seine einjelnen Elieder. 85 
Klassen der Anstalt vom Religionsunterricht dispensirt gewesen sind. Ich be- 
auftrage die königliche Regierung (das kénigliche Provincial-Schulcollegium), 
hiernach zu verfahren und die Direktoren resp. Rektoren ihres (seines) Ressorts 
mit Anweisung zu versehen, wobei auch darauf Bedacht zu nehmen ist, daß 
in den Schulen der Religionsunterricht überall in die erste oder in die letzte 
Vormittagsstunde gelegt wird. In Betreff der Qualifikationszeugnisse, in 
welchen bisher die Theilnahme an allen Gegenständen des Klassenunterrichts 
bezeugt werden mußte, bleibt eine Verfügung vorbehalten.“ 
— Febr. (Luxemburg.) Die Schleifung der Festungswerke ist von der 
Regierung in Ausführung ihrer vertragsmäßigen Verpflichtung nun- 
mehr so weit gefördert, daß nur noch ein verhältnißmäßig kleiner 
Theil derselben abzutragen ist. Mit Inbegriff der Summe, welche 
in diesem Jahr auf die Niederlegung einiger Werke verausgabt werden 
soll, sind bereits 405,000 Frcs. auf dieses Unternehmen verwendet 
worden. Die für dasselbe veranschlagte Summe von 600,000 Fres. 
wird voraussichtlich nicht ganz erforderlich sein. Die bis jetzt ge- 
machten Ausgaben sind übrigens durch den Verkauf der freigewordenen 
Grundstücke reichlich gedeckt worden. 
1. März. (Preußen.) Die schon früher umgelaufenen Gerichte, daß 
der Papst den Erzbischof v. Gnesen und Posen Graf Ledochowski 
zum „Primas von Polen“ ernannt habe, bestätigen sich. 
Zunächst bestätigen sie sich durch die Briefschaften, die gelegentlich der po- 
lizeilichen Haussuchung in der Wohnung des Prälaten v. Kozmian in Posen 
mit Beschlag belegt wurden. Eine Illustration dazu liefert die in Thorn 
unter dem Titel Sierp-Polaczck herausgegebene clericale Kalender für 1872, 
der den Erzbischof in dem Verzeichnisse der regierenden Fürsten Europas als 
Primas von Polen und Stellvertreter der polnischen Könige aufführt. Das 
in Posen erscheinende clericale Typotnik kat., das offiziöse Organ des Erz- 
bischofs endlich gesteht nunmehr offen ein, daß der Papst diesem Kirchenfürsten 
bei Gelegenheit des vaticanischen Concils den Titel Primas von Polen ver- 
liehen habe, läugnet aber, daß derselbe die an den Titel geknüpften Macht- 
befugnisse ausübe. Die offiziösen Organe der preuß. Regierung sprechen sich 
über die Thatsache folgendermaßen aus: „Es handelt sich offenbar um mehr 
als um einen bloßen Titel, der Charakter als Primas von Poen hat doch 
einen Sinn, welcher mit der Stellung und der früheren Haltung des Ge- 
nannten nicht übereinstimmt. Die Würde eines Primas setzt gewissermaßen 
die Existenz eines Königreiches Polen in seiner alten Ausdehnung und mit 
der alten Verfassung voraus. Mit dem Anmite sind nicht nur Attribute der 
geistlichen Würde verbunden, sondern nach der polnischen Verfassung ist der 
Primas der Stellvertreter des Königs und der Träger der politischen Gewalt, 
wenn der Thron erledigt ist. Man ist daher zu dem Schlusse berechtigt, daß 
v. Ledochowski sich den national-polnischen und deutsch-feindlichen Bestrebungen 
angeschlossen und mit seiner früheren vermeintlichen Loyalität für das preußische 
Königthum entschieden in Widerspruch gesetzt hat.“ 
„ „ (Bayern.) II. Kammer: Bildung der 7 Abtheilungen nach der 
neuen Geschäftsordnung. Die Liberalen erringen dabei zufällig in 
4 Abtheilungen die Mehrheit, so daß die patriotische Partei für die 
Bildung der Commissionen r2c. in die Minderheit geräth, obgleich die 
Parteien sich immer noch mit 77 gegen 77 Stimmen gegenüber- 
stehen. 
 
	        
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