Full text: Europäischer Geschichtskalender. Dreizehnter Jahrgang. 1872. (13)

Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. 87 
in der Pantaleonskirche den kath. Garnisonsgottesdienst wieder ab, 
den er nach der Anordnung des Feldpropsts oder Armeebischofs an 
dem Tage eingestellt hatte, an welchem die altkath. Gemeinde ihren 
Gottesdienst in jener Kirche abhielt (s. 13. Januar). 
Die „Militärischen Blätter“ geben die Anschauungen der höhern militä- 
rischen Kreise Über die Angelegenheit folgenden prägnanten Ausdruck: „Natür- 
lich wurden dabei weder der evangelische noch der katholische Feldpropst um 
ihre Meinung gefragt, da es sie gar nichts angeht, in welcher Weise das 
Kriegsministerium Über Garnisonsgebäude zu verfügen für gut findtt.. 
Durch die Anstellung eines katholischen Feldpropstes mit kirchlich-bischöflichen 
Rechten wollte man, nach Einführung der katholischen Geistlichkeit in die 
Armee, die letztere nach altpreußischen Principien vor jedem nicht-preußischen 
Einflusse bewahren, und wir möchten es denn doch auf das Allerbestimmteste 
bezweifeln, daß man, im Gegensatze hierzu, es in Berlin gegenwärtig dem 
politischen Katholicismus gestatten würde, durch das Medium des zu militä- 
rischem Gehorsam verpflichteten Feldpropstes die Bande der Displin in der 
Armee zu lockern. In der Armee wird nur befohlen und gehorcht, und 
Jeder, der zu ihr gehört, ist zu dem Einen in seinen Grenzen berechtigt 
und zu dem Andern verpflichtet. Vorbehalte gibt es dabei nicht, auch nicht 
für den Geistlichen. In der brandenburgisch-preußischen Armee haben zwei 
Jahrhunderte hindurch Protestanten und Katholiken in gleicher Hingebung 
und in gleicher Treue neben einander gefochten, ohne daß man einen 
katholischen Geistlichen bei derselben kannte, und die Gewissensfreiheit der 
Katholiken hat in der Armee in diesen zwei Jahrhunderten nicht gelitten, 
obschon der Gottesdienst für Katholiken und Protestanten gemeinschaftlich und 
nach demselben Ritus abgehalten wurde. Erst im Jahre 1836 wurde aus 
einem localen Bedürfnisse in Düsseldorf der katholische Militärprediger Boden- 
heim angestellt, und erst unter der Regierung Friedrich Wilhelms IV. fand 
nach und nach eine besondere katholische Militärgeistlichkeit in der Armee 
Eingang. Immerhin aber ist diese Einführung dem historischen Entwicklungs- 
gange der Verfassung der Armee gegenüber nur als ein Versuch zu betrach- 
ten, ein Versuch, der aufgegeben werden müßte und würde, wenn die Inte- 
grität, Einheitlichkeit und Disciplin der Armee sich als damit unvereinbar 
erweisen sollte."“ 
4. März. (Preußen.) Der „Staatsanzeiger“ veröffentlicht in seinem 
amtlichen Theile eine Erklärung des Fürsten Bismarck, daß es ihm 
unmöglich sei alle die zahlreichen Adressen und Telegramme bezüglich 
Zustimmung zu der von der preußischen Regierung in dem Schulauf- 
sichtsgesetz befolgten Politik einzeln zu beantworten, 
unter Beifügung der Versicherung, „daß er auch ferner Sr. Moaj. dem 
Kaiser und dem gemeinsamen Vaterland mit Gotteshilfe so zu dienen bemüht 
sein werde, daß ihm dieses Vertrauen seiner Mitbürger erhalten bleibe." 
Allein aus der Provinz Posen waren ihm aus 48 Städten Zustimmungs- 
erklärungen zu der Adresse der deutschen Bewohner der Stadt Posen zuge- 
gangen. Auf die Adresse der gemeinnützigen Gesellschaft der Stadt Leipzig 
hatte der Fürst geantwortet: „Die HH. Unterzeichner haben mit mir den bei 
Gelegenheit des Schulaussichtsgesetzes hervorgetretenen Gegensatz sowohl in 
seinen Motiven, wie in seinen Erscheinungen, als die nothwendige Consequenz 
der Niederhaltung des deutschen Reiches bezeichnet, und dessen über die Grenzen 
Prcußens hinausgehende prinzipielle Bedeutung erkannt. Die persönliche 
Stellung der HH. Unterzeichner verleiht Ihrer mir ausgesprochenen Aner- 
erkennung ein besonderes Gewicht, und ich darf versichern, daß die kgl. preuß. 
Regierung, in gewissenhafter Achtung der Rechte und der Gewissensfreiheit 
 
	        
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