Full text: Europäischer Geschichtskalender. Dreizehnter Jahrgang. 1872. (13)

Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. 95 
11. März. (Preußen.) Abg.-Haus: lehnt die vom Herrenhaus im Hypo- 
thekengesetz angebrachten Modificationen ab. 
„ „ (Preußen.) Erlaß des Cultusministers Falk an den Bischof 
v. Ermeland in Sachen der Excommunicationen: 
„Ew. X. haben mittelst Decrets vom 4. Juli v. J. die Strafe der großen 
Excommunication Über den katholischen Religionslehrer Dr. Wollmann zu 
Braunsberg ausgesprochen und dieses Decret zur öffentlichen Kenntniß Ihrer 
Diöcesanen bringen lassen. Ein gleiches Verfahren ist von Hochdemselben gegen 
den Prof. Michelis aus Braunsberg eingehalten worden. Ueber die Wir- 
kungen der genannten Censur auf den Verkehr mit den von ihr getroffenen 
Personen spricht sich ein Aufsatz, welchen das „Pastoralblatt für die Diöcese 
Ermland“ vom 1. Aug. v. J. dem Abdrucke des von Ew. 2c. an die Geist- 
lichkeit und die Gläubigen Ihres Sprengels gerichteten, die Excommunication 
des Wollmann verkündenden Hirtenbriefs vom 22. Juli cr. unter dem Titel: 
„Wesen und Wirkungen des Kirchenbanns" anfügt, in folgender Weise aus: 
„Die Gläubigen sind streng verpflichtet, mit einem solchen, welcher namentlich 
aus der Kirche ausgeschlossen ist, keinen Verkehr zu pflegen, mag dieser in 
Besuchen, Grüßen, Unterricht u. s. w. bestehen ...Wer mit einem namentlich 
Excommunicirten Verkehr pflegt, verfällt der kleineren Excommunication. 
Mit namentlich Excommunicirten dürfew nur die Eltern, die leiblichen Kinder, 
die Dienstboten und dergleichen Personen verkehren.“ Daß hiermit nichts 
Neues aufgestellt, sondern lediglich — und zwar nicht einmal in seinem 
dollen Umfange — das in der katholischen Kirche geltende Recht zum Aus- 
druck gekommen ist, zeigt die quellenmäßige Bearbeitung, welche die betreffende 
Lehre in der neueren Doctrin bei Kober: „Der Kirchenbann nach den Grund- 
sägen des kanonischen Rechts (Tüb. 1857) S. 384 ff. und erst vor kurzem 
wieder durch einen preußischen Praktiker, den Präses des erzbischöflichen Offi-- 
cialats in Köln, Dr. München: „Kanon. Gerichtsverfahren und Strafrecht" 
(Köln 1866) II. 167 ff. erfahren hat. Da hiernach die vorliegende große 
Excommunication keine rein geistliche Strafe ist, sondern durch die Aechtung, 
mit welcher sie den von ihr Betroffenen nach allen Richtungen des socialen 
Lebens belegt, neben der kirchlichen zugleich eine bürgerliche Bedeutung hat, 
so kann eine einseitige Verhängung derselben durch den kirchlichen Obern nicht 
für Milässig erachtet werden. Ein derartiges Vorgehen stellt sich vielmehr als 
eine Verletzung der dem Schutze des Staates anheimfallenden Gerechtsame 
seiner Angehörigen und als ein Eingriff der Kirchengewalt in das bürgerliche 
Rechtsgebiet dar, welchem der Staat zu wehren befugt und verpflichtet ist. 
In den vorliegenden Fällen gilt dies um so mehr, als das für die dortige 
Provinz in Betracht kommende posltive Landesgesetz (§ 57 II. 11. A. L.-R.) 
bei Ausschließungen von der Kirchengemeinschaft, soweit damit nachtheilige 
Folgen für die bürgerliche Ehre des Ausgeschlossenen verbunden sind, „vor 
deren Veranlassung“ ausdrücklich die Einholung der Staatsgenehmigung 
vorschreibt und, wie die Materialien ergeben, hierdurch speciell den bürgerlichen 
Wirkungen der großen Excommunication in der katholischen Kirche hat be- 
gegnet werden sollen. Die Verhängung des großen Kirchenbannes über den 
Dr. Wollmann und den Prof. Michelis zu Braunsberg ist lediglich auf 
Grund Ihrer Entschließung, mithin unter Ueberschreitung der nach preuß. 
Landesrecht gesetzlichen Grenzen der bischöflichen Amtsbefugniß erfolgt. Indem 
ich daher mit Zustimmung des k. Staatsministeriums an Ew. ꝛc. das erge- 
benste Ersuchen richte, den Widerspruch, in welchem jene Censurdecrete durch 
ihre bürgerlichen Wirkungen mit den Landesgesetzen stehen, in geeigneter Weise 
zu beseitigen und diese Beseitigung zur Kenntniß der dortigen Diöcesanen zu 
bringen, darf ich einer baldgefälligen Mittheilung über die deßfalls ergehen- 
den Verfügungen mit dem Bemerken ergebenst entgegensehen, daß, wenn es 
nicht gelingt, jenen Wiederspruch zu heben, die k. Staatsregierung in die Lage 
 
	        
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