Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Febr. 22.) 63
welcher einen Communalbeamten seines Amtes entsetzte, weil derselbe
Mitglied des Mainzer Katholikenvereins ist und weder aus demsel-
ben austreten, noch sein Amt niederlegen wollte.
In den Gründen dieser Entscheidung wird gesagt: „Schon die That-
sache, daß der Mainzer Katholikenverein ein regierungsfeindlicher ist, welcher
die Opposition gegen die Maßnahmen der Staatsregierung auf kirchenpoli-
tischem Gebiete zum Gegenstande seiner Agitationen und Bestrebungen macht,
charakterisirt den Verein als einen solchen, dessen Mitgliedschaft mit der Stel-
lung und den Pflichten eines Beamten unvereinbar ist. Der Gehorsam und
die Treue, welche jeder Beamte, also auch der Communalbeamte dem Staate
und der Staatsgewalt schuldet, schließen jede Parteinahme des Beamten gegen
die Staatsregierung und ihre Anordnungen aus; und die allgemenen staats-
bürgerlichen Rechte, welche der Angeschuldigte aus Art. 30 der Verfassungs-
urkunde für sich in Anspruch nimmt, finden in der Stellung des Beamten
eine naturgemäße Begrenzung, indem ihm nicht nur das Strafgesetz, welches
jeden Staatsbürger bindet, sondern auch die Rücksicht auf die ihm durch seine
Beamteneigenschaft auferlegten besonderen Pflichten die Schranke zieht, inner-
halb welcher er von seinen verfassungsmäßigen Befugnissen Gebrauch machen
darf. Das Haben und Festhalten einer eigenen, mit den Auffassungen der
Staatsregierung nicht übereinstimmenden Ueberzeugung ist dem Beamten in
keiner Weise verwehrt; bethätigt er aber diese seine Ueberzeugung durch die
Theilnahme an Vereinigungen und Agitationen in regierungsfeindlicher Ten-
denz, so verletzt er damit seine Amtspflichten und zeigt sich des Vertrauens, das
seine Stellung als Beamter erfordert, unwürdig, und es entsteht also für
ihn die Frage, ob er mit einer derartigen Bethätigung seiner Ueberzeugung
zurückhalten oder sein Amt niederlegen will. Die Regierung hatte vor dem
Eintritt in den Verein gewarnt und da der Beamte den Austritt trotz der
ausdrücklichen Aufforderung verweigerte, so wäre von einer einfachen Ord-
nungsstrafe kein Erfolg zu erwarten und da eine Strafversetzung nicht an-
wendbar ist, so erscheint die Amtsentsetzung gerechtfertigt.“
22. Februar. (Preußen.) Abg.-Haus: Der (altkath.) Abg.
Petri bringt einen Gesetzesentwurf ein über die Verhältnisse der Alt-
katholiken, der dahin geht, diesen in Preußen dieselben Rechte am
katholischen Kirchenvermögen einzuräumen, welche ihnen in Baden
durch übereinstimmenden Beschluß des Landtags und der Regierung
bereits zugestanden worden sind. Derselbe lautet:
Das Haus der Abgeordnelen wolle beschließen, dem nachstehenden Ge-
setze die verfassungsmäßige Zustimmung zu geben: Entwurf eines Gesetzes,
die Rechte der altkatholischen Kirchengemeinschaften an dem kirchlichen Ver-
mögen betreffend. Wir Wilhelm u. verordnen mit Zustimmung beider Häuser
des Landtages für den Umfang der Monarchie, was folgt: § 1. In denjeni-
gen katholischen Kirchengemeinden, aus welchen eine erhebliche Anzahl von
Gemeindemitgliedern einer altkatholischen Gemeinschaft beigetreten ist, werden
die venmögensrechtlichen Verhältnisse im Verwaltungswege bis auf Weiteres
nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen geordnet. — § 2. Der altkatho-
ischen Gemeinschaft wird der Mitgebrauch der Kirche, der kirchlichen Geräth-
schaften und des Kirchhofes eingeräumt. Sind mehrere Kirchen (Capellen
u. s. w.) vorhanden, so kann eine Gebrauchstheilung nach bestimmten Ob-
jekten verfügt werden. Ist der altkatholischen Gemeinschaft die Mehrheit der
Gemeindemitglieder beigetreten, so steht der Gemeinschaft der Mitgebrauch der