Full text: Europäischer Geschichtskalender. Sechzehnter Jahrgang. 1875. (16)

72 Das deutsche Reich und seine einzelnen glieder. (März 4.) 
Gnesen und Posen so wie die Diöcese Paderborn mit aufgeführt, obwohl sie 
zur Zeit einen gesetzmäßig bestellten Verwalter überhaupt nicht besitzen. In- 
dessen in diesen Diöcesen ist die Nothwendigkeit eines ernsten Vorgehens der 
Staatsregierung um so dringender, weil in Folge der Weigerung der Don- 
capitel zur Wahl eines Bisthumsverwesers die Zustände in erhöhtem Maße 
verworren geworden und der Widerstand gegen die staatliche Ordnung in der 
bedenklichsten Weise gesteigert ist. Es gilt dies namentlich für die Erzdiöcese 
Posen und Gnesen, in denen ein geheimer Delegat Roms die Fäden der Be- 
wegung in Händen hat. Die Einstellung der Staatsleistungen muß, um 
wirksam zu sein, allgemein und vollständig durchgeführt werden. Demgemäß 
sind alle Leistungen einzustellen, welche direkt oder indirekt für den Episcopat, 
die von ihm dependirenden Behörden und Institute so wie für den Clerus 
bestimmt sind. Um dies mit voller Bestimmtheit erkennen zu lassen, ist der 
Ausdruck gewählt: „sämmtliche für die Bisthümer, die zu denselben gehöri- 
gen Institue und Geistlichen bestimmten Leistungen“. Dieser Ausdruck schließt 
sich der Bezeichnung der entsprechenden Kapitel bes Staatshaushalts-Etats, 
insbesondere des Kapitels 118 an und umfaßt alle Zwecke, welche hier vor- 
gesehen sind. Insbesondere also wird die Einstellung alle Leistungen für die 
Bischöfe selbst und die bischöflichen Stühle, so wie für die bischöflichen Be- 
hörden und Beamten umfassen; ferner die Leistungen für die Domcapitel, 
Collegiatstifte und deren Zubehörungen, so wie für die Discesan-Anstalten 
als Priester- und Clerikal-Seminare, Emeriten- und Demeriten-Anstalten. 
Unter den Leistungen für Geistliche aber sind alle Aufwendungen, welche für 
den Clerus bestimmt sind, zu begreifen, gleichviel, ob die Bewilligungen 
direkt an die Geistlichen oder an Kirchen, Kirchengemeinden und Kirchen- 
kassen erfolgt sind, sobald sie nur zum Unterhalt der Geistlichen dienen. Da- 
gegen sind hiernach von der beabsichtigten Maßregel diejenigen Leistungen 
ausgeschlossen, welche zur Besoldung der niederen Kirchendiener bei den ein- 
zelnen Kirchengemeinden, so wie zu den sächlichen Cultuskosten und den Bau- 
bedürfuissen dieser einzelnen Gemeinden bestimmt sind. Durch die Worte 
„Leistungen aus Staatsmitteln“ hat jeder Zweifel darüber abgeschnitten wer- 
den sollen, daß der Einstellung nicht nur baare Besoldungen und Zuschüsse, 
sondern auch alle sonstigen materiellen Beihülfen unterliegen, welche der Staat 
zu den angegebenen Zwecken bisher gewährt hat. Insbesondere fallen da- 
runter also auch alle Naturalprästationen an Getreide und Holz, ferner die 
Gebrauchs- und Nutzungsrechte an Gebäuden und sonstigen Realitäten, so 
wie an Mobilien jeder Art. In gleicher Weise ist bereits in denjenigen 
Fällen verfahren, in welchen eine Einbehaltung der Staatsmittel auf Grund 
des Gesetzes vom 11. Mai 1873 verfügt ist.“ Ueber die Bedingungen zum 
Wiedereintritt in den Genuß der Staatszuschüsse von Seite der 
Bischöfe sowohl als der einzelnen Pfarrer u. sagen die Motive: „Die §§ 2 
bis 6 setzen die Voranssetzungen fest, unter welchen die Wiederaufnahme der 
Leistungen sowohl für die verschiedenen Sprengel im Ganzen, als auch für 
die einzelnen Empfangs berechtigten Statt haben soll. Der § 2 zunächst macht 
die Wiederaufnahme der Leistungen für den Umfang des Sprengels davon 
abhängig, daß der Bischof oder Bisthumsverweser durch schriftliche Erklärung 
der Staatsregierung gegenüber sich verpflichtet, die Gesetze des Staates zu 
befolgen. Die hier geforderte Verpflichtung entspricht der eidlichen Verpflich- 
tung, welche ein Bisthumsverwalter nach § 2 des Gesetzes vom 20. Mai 
d.  J. über die Verwaltung erledigter katholischer Bisthümer aufzunehmen 
hat. Die §§ 3 und 4 ordnen denselben Gegenstand für diejenigen Bisthümer, 
deren Stuhl zur Zeit erledigt ist, oder deren Stuhl erledigt werden möchte, 
bevor der zeitige Bischof zum Gehorsam gegen die Staatsgesetze verpflichtet 
ist. In allen diesen Fällen ist davon ausgegangen, daß, wenn entweder der
	        
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