Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (März 25—27.) 99
selben einen Gesetz-Entwurf betr. Uebertragung des Eigenthums und
der sonstigen Rechte des preuß. Staats an Eisenbahnen auf das
Reich vor. Derselbe lautet:
§ 1. Die Staatsregierung ist ermächtigt, mit dem dentschen Reich
Vertröge abzuschließen, wodurch 1) die gesammten im Bau oder Betriebe
befindlichen Staatsbahnen nebst allem Zubehör und allen hinsichtlich des
Baues oder Betriebes von Staatsbahnen bestehenden Berechtigungen und
Verpflichtungen des Staates gegen sissten Entschädigung kaufweise auf
das Reich übertragen werden; 2) alle Befugnisse des Staates bezüglich der
Verwaltung oder des Betriebes der nicht in seinem Eigenthum stehenden
Eisenbahnen, sei es daß dieselben auf Gesetz, Concession oder Vertrag be-
ruhen, an das Reich übertragen werden; 3) in gleichem Umfange alle son-
stigen dem Staate an Eisenbahnen zustehenden Antheils= und anderweiten
Vermögensrechte gegen angemessene Entschädigung an das Reich abgetreten
werden; 4) ebenso alle Verpflichtungen des Staates bezüglich der nicht in
seinem Eigenthum stehenden Eisenbahnen gegen angemessene Vergütung vom
Reich übernommen werden; . die Eisenbahn-Aufsichtsrechte des Staates auf
das Reich übergehen. § 2. Bezüglich der in § 1 unter 1, 3 und 4 erwähn=
ten Vereinbarungen bleibt die Genehmigung des Landtags vorbehalten."“
Die Motive, welche 16 enggedruckte Seiten umfassen, geben eine
ausführliche Darstellung der Mängel des jetzigen Eisenbahnwesens. Der
Gesetz-Entwurf sagt über den zu stipulirenden Kaufpreis, daß derselbe in
einer Entschädigung bestehen solle, welche dem wirklichen Werthe der Ge-
sammtheit der abzutretenden Staatsbahnen entspricht, wobei diese Gesammt-
heit als ein Object angesehen werden soll. Der Werth desselben soll unter
Zugrundelegung des wirklichen Anlagekapitals mit Berücksichtigung der bis-
herigen und zukünftigen Ertragsverhältnisse im Wege billiger Veranschlagung
ermittelt werden und die Entschädigung in einer amortisirbaren Rente be-
stehen. Die Hoheitsrechte der Einzelstaaten in Ansehung der Conessionirung
neuer Bahnen sollen dem Reiche nicht mit übertragen werden. Der Schluß-
satz der Motive lautet folgendermaßen: „Würden die Bestrebungen der
preußischen Regierung wegen Uebertragung des preußiichen Bahnbesitzes, auf
das Reich am Widerspruche der maßgebenden Organe des Reiches scheitern,
so könnte es nicht zweifelhaft sein, daß alsdann Preußen selbst an die Lösung
der gedachten Aufgaben mit voller Energie heranzutreten und vor Allem die
Erweiterung“ und Consolidation seines eigenen Staatsbahnbesitzes als näch-
stes Ziel seiner Eisenbahnpolitik zu betrachten hätte. Den Rücksichten, welche
Preußen gegenüber seinen Bundesgenossen obliegen, wäre Genüge geschehen.
Nichts würde entgegenstehen, der nachtheiligen Zerplitterung des Eisenbahn-
wesens und dem Ueberwiegen der Privateisenbahn-Industrie selbstständig
entgegenzuwirken. Die alsdann von der preußischen Eisenbahnpolitik noth-
wendiger Weise einzuschlagende Richtung würde zur wahrscheinlichen Folge
haben, daß durch die Erweiterung des Staatesbesitzes und die volle Entfal-
tung des im Besitze und der Verwaltung der preußischen Staatsbahnen lie-
genden Einflusses das Ueberge wicht der mit den preußischen Bahnen
verknüpften Interessen sich über die Grenzen bes preußischen
Staatsgebietes hinaus fühl bar machen würde.
27. März. (Deutsches Reich.) Der Abschluß der Staats-
rechnung für 1875 ergibt einen Ueberschuß von etwas mehr als
16 Mill. Mark.
27. März. (Preußen.) Abg.-Haus: der Finanzminister be-
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