Full text: Europäischer Geschichtskalender. Siebzehnter Jahrgang. 1876. (17)

Dit Geserreichisch-Ausarischr Meseri#.(October.) 255 
und sieht in dem Fortbestand des Dreikoiserbündnisses eine wachsfende 
Gefahr für Oesterreich. 
„Man braucht, um dieß hondgeiflich; zu erkennen = meint eine solche 
Stimme — nur zurückzublicken auf die Ereignisse, wie sie sich im Lauf eines 
kurzen Jahrs entwickelt haben. Oesierreich mußte zusehen, wie nicht allein 
der ussesa- Diplomatie Schritt vor Schritt, oder sagen wir lieber von Fall 
u Fall, Vortheile errang, sondern, was noch wichtiger ist, wie die rusfische 
Mechtspre unaufhaltsom an Ausbehnung gewann. Oesterreich mußte zu- 
gelöst und in ein solches Verhältniß zu Nußland gebracht wurde; es mußle 
zusehen, wie die serbische Armee lan ziom russificirt ward. Aehnlich ging es 
mit Montenegro, welches noch in Keiner früheren Periode so vollständig in 
die Gewalt der russischen Agenten und Militärs gebracht worden. rner 
mußte Oesterreich zusehen, wie Rumänien, welches Monate hindur sein 
Gebiet dem TDurchzug russischer „Freiwilligen“ öffnele, eine Mobilisirung im 
Interesse Rußlands anordnete. Von dem Augenblick an wo russische Trup- 
penkörper sich am Pruth sammeln, steht Rumänien zu Rußland in dem- 
selben Verhöltniß wie Serbien. Das alles vollzieht sich unter unsern Augen 
langsom und stetig und unter den Auspicien des Trei-Kaiser-Bundes. In 
Bunelben. Maße wie der russische Einfluß an Terrain gewann, wurde der 
österreichische zurückgedrängt. und wer heute noch redet von einem „Ufler- 
reichischen Donaustrom, der muß, wenn er anders Leneigt ist mit Thatlachen 
zu rechnen, bei Alt-Orsowa, wenn nicht schon bei Semlin, Halt wagen 
Das isi eine sehr schwach- Kröstung, die beut. in einem hochofficiösen 
liner Briefe der „Pol. C. erabreicht wird, daß es im Grunde gleich- 
Siltig sei, wem # Münengan der Donau angehört. Die Mündun- 
en und der ganze Strom hätten heutzulag einen internationalen Charokter!? 
Es fieht fürwahr in der Wirklichkeit nicht so aus. Sobald das Donau-Delta 
wiederum in der Gewalt Rußlands ist, tritt Rumänien von selbst in ein noch 
untergeordneteres Verhältniß zu Rußland; die Bulgarei soll, gleich Serbien, 
ein russisches Vicekönigthum werden, und der Strom auf der ungeheuren 
Ausdehnung zwischen diesen Gebieten wird unvermeidlich ein russischer Strom 
werden, auf welchem Rußland dem Verkehr dieselben Chikanen bereiten kann, 
die es ihm an der preußischen Gränze bereitet. Das ist das Ziel, welches 
Rußland langsam und umsichtig und immer unter den Auspicien des Drei- 
Kaiserbundes anstrebt. Aber noch ganz andere Calamitäten erwuchsen Oester- 
reich aus der 4½ -eschöftsverbindung Die panflavistischen Pioniere 
Rußlands griffen auf osterwiichische Gebiet hinüber und konnten ihr Un- 
wesen treiben im Banat, an der Moldau und am Dniester. So wuchsen 
die inneren Shwierigleiten. mit denen Oesterresch heute zu rechnen hat. 
Damit nicht genug, lockte der russische „Verbündete“ einen guten Freund 
im Süden herbei, und in Italien fing man an, kaltblütig zu berechnen, ob 
man im Fall einer Action der „verbündeten Mächte“ im Orient eine „Com- 
pensation“ am Fuße der Alpen, oder am Strand der Adria zu suchen habe. 
Auch diese sonderbare Aspiration entstand und entwickelte #ch unter dem 
  
weiten Deckmantel des unerschütterli en“ Drei-Kaiserbundes. Da ist wohl 
die Behauptung gerechtsfe rkigt, daß Oesterreich mit keinem anderen Bündnisse 
chlechtr hätte fahren können. Und denn ist der Kaiserstaat, wie heute 
mge Dinge liegen, kaum im Stande, sich von dieser langsam würgenden 
zrrnin loszusagen. Es ist jedenfalls so lange nicht möglich, als 
Deutschland an Winer nee Intimität zu Rußland fentball. Würte e 
Oesterreich sich von dem Drel-Kaiserbunde lossagen, dann sehte es sich d 
Gefahr aus, Rußland und Teutschland zu offenen Gegnern zu erhalten, uns 
 
	        
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