Full text: Europäischer Geschichtskalender. Siebzehnter Jahrgang. 1876. (17)

580 Nebers ber velitiscz Eutwihluns bes Jahres 1876. 
Partei die Insurrection in der Herzegowina und in Bosnien von 
allem Anfang an, was bei der traurigen Lage der Rajahs in diesen 
Provinzen und ihren nur zu sehr begründeten Beschwerden unter 
allen Umständen leicht war, hervorgerufen oder doch nachher unter 
der Hand begünstigt habe; immerhin kann nicht verkannt werden, 
daß es bis zum Berliner Memorandum und bis zu den Maiereig- 
nissen in Constantinopel mit den beiden andern Ostmächten Hand 
in Hand ging und daß seine möglichen Plane eben so lange in Oester- 
reich, dessen Interessen in der Türkei denjenigen Rußlands vielfach 
directe entgegen gesetzt sind, nothwendig einen starken Zügel finden 
mußten. Auf dem Papier war und ist die Pforte zu allen nur 
Mmmöglichen Zugeständnissen zu Gunsten der wahrhaft jammerwürdigen 
Lage der christlichen Rajahs geneigt und bereit, aber alle ihre Ver- 
sprechungen sind absolut werthlos, wenn sie nicht dazu gezwungen 
wird, sie auch wirklich auszuführen. Sie muß unausweichlich bis 
auf einen gewissen Grad thatsächlich und ausgesprochener Maßen 
unter die Vormundschaft Europas gestellt werden, oder es bleibt 
nichts anderes übrig, als sie ihrem Schicksal zu überlassen, mit an- 
deren Worten Rußland, soweit seine Macht reichen wird, Preis zu 
geben. Das letzte Ziel Rußlands aber ist und kann kein anderes 
sein, als die Türken schließlich wieder ganz aus Europa zurück- 
zuwerfen und seinen Einfluß, so weit möglich unmittelbar, so weit 
und so lange dieß aber noch nicht möglich sein sollte, wenigstens 
mittelbar bis an den Bosporus auszudehnen und das schwarze 
Meer zu einem russischen Binnenmeer zu machen. Freiwillig werden 
die Türken selbstverständlich Europa niemals räumen, freiwillig 
werden sie den christlichen Bevölkerungen ihrer Provinzen auch nie- 
mals die wirkliche Gleichberechtigung mit ihnen selbst zugestehen. Sie 
können es unmöglich bei der absoluten Verquickung ihrer politischen 
und religiösen Anschauungen und Grundsätze, selbst wenn sie es 
wollten. Sie können und werden es nur thun, wenn sie dazu ge- 
zwungen werden und unter einem fortwährenden Drucke stehen. Eine 
friedliche Löfung der orientalischen Frage wäre daher nur denkbar, 
wenn die europäischen Mächte sich darüber verständigen könnten, 
mit der einen Hand die Türken zu den dringendsten und unerläß- 
lichsten Reformen, die eine allmälige Erziehung der slavischen Völker- 
schaften der europäischen Türkei zu voller Selbstständigkeit ermög- 
lichten, zu zwingen, mit der andern Hand aber Rußland zu hindern, 
die ganze Frucht aller Bemühungen Curopas in seinem ausschließ-
	        
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